Mit ?Wofür‘ statt ?Dagegen‘ die Welt gestalten
Cathérine L.
Dedicated to creating a regenerative society through inner and outer transformation
Letzte Woche war ich auf einer Veranstaltung, die mir im w?rtlichen und übertragenen Sinne Kopf- und Bauchschmerzen bereitet hat. Entgegen meinem früheren üblichen Verhalten bin ich am zweiten Tag nicht mehr hingegangen, weil sie mich schon an dem einen Tag sehr viel Energie gekostet hat. Es ging bei der Veranstaltung um gesellschaftspolitisches Engagement, wozu Themen wie Klima- und Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit, Frieden, Inklusivit?t, Demokratief?rderung und Zusammenhalt geh?rten. Das Ziel war es, künftig mit den verschiedenen Akteursgruppen und Anliegen mehr zusammenzuarbeiten, statt wie bisher h?ufig gegeneinander. Das hielt und halte ich für eine gute Idee, weshalb ich dorthin gegangen bin.
Die Veranstaltung hat mich wieder daran erinnert, weshalb ich mich in den letzten Jahren von den klassischen Nachhaltigkeitsbewegungen und von derartigem Aktivismus etwas ferngehalten habe.
Denn die Stimmung hat mir aus zwei Gründen Schmerzen bereitet.
[Wichtig: Ich beziehe die folgenden Beobachtungen nicht nur auf diese Veranstaltung und m?chte sie auf keinen Fall besonders negativ hervorheben. Sie hat mir die Punkte nur wieder deutlich vor Augen geführt.]
1. Angespannte emotionale Lage vieler Menschen
Erstens herrschten unter den Menschen dort viele anstrengende, negative Gefühle vor. Es gab gro?en Frust aufgrund der letzten Wahlergebnisse und der politischen Gesamtsituation. Es herrschte gro?e Angst davor, wohin sich unsere Gesellschaft dadurch und durch den zunehmenden Klimawandel usw. bewegt. Es zeigte sich viel Ersch?pfung und Ernüchterung, weil die Aktivit?ten alle keine richtige Ver?nderung zu bewirken scheinen. Dass die Gemütslage so angespannt ist, war mein erster Schmerzpunkt.
Ich habe gro?en Respekt vor und gro?es Mitgefühl für alle, die sich t?glich für eine bessere Welt engagieren und sich dafür u. a. mit den politischen Institutionen, Entscheidungen und Prozessen in z. T. mühevoller Kleinstarbeit auseinandersetzen. Oder vor denjenigen, die ihr gefühlt ganzes Leben dem Aktivismus widmen, auf die Stra?e gehen, vor Ort direkt mit Menschen arbeiten, …
Gleichzeitig sehe ich in dem Blickwinkel und der Einstellung, mit der viele dieser Menschen ihr Wirken angehen, einige Gefahren. Ich teile diese Gedanken mit dem Wissen, dass ich in der Vergangenheit ?hnlich gehandelt und gedacht habe und mich davon auch weiterhin nicht v?llig freispreche. Genau aus dieser Erfahrung heraus kann ich die Situation entsprechend einsch?tzen und durch meine eigenen Ver?nderungen auch Wege daraus ableiten. Ich bin mir dabei auch meiner Privilegien bewusst – jede Person m?ge die Aussagen daher bei Bedarf für ihren eigenen Kontext anpassen.
Negativit?tsfokussierung ersch?pft und frustriert
Durch den st?ndigen Fokus auf das, was in der Welt nicht den eigenen Wünschen entspricht – sowie durch negative Nachrichten und einen engen Blickwinkel – fühlen sich Menschen ersch?pft. Das kann je nach Bewusstseinsstand, pers?nlichem Hintergrund und politischer Einstellung dann entweder zu eher rechts-politisch abschottendem Verhalten oder, wie in diesem Fall, zu eher links-politisch unabl?ssigem Aktivismus führen.
Hinzu kommt, dass wir uns bei einem Fokus auf die Gesamtheit der Probleme und deren globalen Ma?stab selten besonders wirksam fühlen. Selbstwirksamkeit ist jedoch ein wichtiger Faktor, um langfristig aktiv zu bleiben und dies auch mit einem guten Gefühl zu tun.
Ja, es gibt viele Dinge, die ich mir für unsere Welt, alle Menschen und alles, was mit uns auf dem Planeten ist, anders wünsche, als es aktuell ist. Es gibt viel Leid und vieles zu ver?ndern. Jedoch macht eine Negativfokussierung das Blickfeld eng und l?sst die vielen sch?nen Dinge und positiven Entwicklungen vergessen. Gerade in dieser Zeit, in der sich viel in Richtung einer sch?neren Welt ver?ndert, kann es hilfreich sein, einen Blick auf konstruktiven Journalismus und Good News zu werfen.
Angst ist kein guter Antrieb für positive Ver?nderung
Zudem führt eine solche Fokussierung zu Angst, die verst?ndlich ist, jedoch h?ufig auch l?hmt. Angst schafft meist keinen Antrieb, um etwas F?rderliches zu tun. Von daher ist es gut, solche Gefühle wahr- und ernstzunehmen und darüber zu sprechen, jedoch nicht in ihnen verhaftet zu bleiben. Es geht nicht darum, etwas zu unterdrücken, sondern darum, sich nicht davon vereinnahmen zu lassen. In diesem Zusammenhang k?nnen Dankbarkeitsübungen und Meditationen helfen, ebenso wie das regelm??ige Einbauen von Dingen, die mensch Freude bereiten. Externe Unterstützung, wie zum Beispiel durch gute Coaches oder Therapeut:innen, kann ebenfalls wertvolle Hilfe leisten.
Es ist wissenschaftlich belegt, dass wir in Angst- und Stresszust?nden – bei denen unser System sich im überlebensmodus befindet – nicht besonders klar und sinnvoll denken k?nnen. Unsere F?higkeit, uns eine positive Zukunft auszumalen und gar zu tr?umen, wird dadurch massiv eingeschr?nkt. In einer solchen Position gestaltet sich die Welt schwierig und wir verfestigen in unserer von Angst gepr?gten Form des Aktivismus die Vorgehensweisen, die wir eigentlich überwinden m?chten. Das kann zu rücksichtslosen und radikalen Ma?nahmen führen, obwohl wir uns Zusammenhalt und Frieden wünschen. Dies ist jedoch ein Widerspruch und führt nicht wirklich zum Ziel.
2. Kampfesrhetorik und Ausrichtung gegen die Umst?nde
Zweitens haben mich nicht nur der emotionale Zustand vieler Anwesenden, sondern auch die bei der Veranstaltung verwendete Rhetorik und die Atmosph?re schmerzlich getroffen. Es lag streckenweise eine fast greifbar angespannte und aufgeladene Stimmung in der Luft, obwohl es um gemeinsames Wirken für die gute Sache ging. Oder eben nicht…
Es ging wenig darum, WOFüR die gemeinsame Arbeit sein soll, als vielmehr WOGEGEN alle sind. Im ersten Abschnitt habe ich geschrieben, worum es bei der Veranstaltung ging – jedoch habe ich versucht, die verwendeten Begriffe in der Ausrichtung herumzudrehen. Es ging n?mlich vielmehr gegen Rechts, Krieg, Rassismus, Diskriminierung, Klimawandel, etc.
Die kontraproduktive Wirkung von Kampfbegriffen
Versetze dich als lesende Person doch einmal vergleichsweise in die folgenden S?tze hinein:
Kannst du eine unterschiedliche Wirkung wahrnehmen?
Wenn wir genau darauf achten, haben diese S?tze eine spürbar andere Energie. Ich kann jedoch nicht sagen, wie oft ich an diesem einen Tag die Worte ?gegen“, ?Kampf“/ ?k?mpfen“, ?Strategie“ (auch ein milit?rischer Begriff), ?Hass“, ?Gegner“ usw. geh?rt habe. Dabei h?tten sicherlich alle Anwesenden sich für Frieden ausgesprochen oder sogar als Aktivist*innen für den Frieden bezeichnet.
Das passt ganz offensichtlich nicht zusammen – fiel jedoch scheinbar nicht grunds?tzlich auf.
Wir verschlie?en in dieser Ausrichtung unsere Herzen gegenüber anderen Menschen, vor allem, wenn sie nicht zu ?unserer‘ Gruppe geh?ren. Dabei sind wir alle Menschen und miteinander verbunden. Wir kommunizieren dann in verletzender Art und Weise und wundern uns, wenn wir nicht auf offene Ohren sto?en. Wir sind voreingenommen in unseren Bewertungen und halten uns für (moralisch) überlegen. Wir finden dann alles im aktuellen System schlecht, was uns die M?glichkeit nimmt, Gutes beizubehalten und für uns zu nutzen.
Es gibt darüber hinaus diverse Gründe, weshalb es hilfreicher ist, auf eine positive Zielrichtung als auf den Kampf gegen bisheriges hinzuwirken.
Die Ver?nderungskraft der positiven Ausrichtung und Neugestaltung
Auf den Punkt bringen es folgende Zitate:
?Das Geheimnis des Wandels liegt darin, nicht das Vergangene zu bek?mpfen, sondern alle Energie darauf zu richten, das Neue aufzubauen.“ – Sokrates
Oder in anderen Worten:
"Man schafft niemals Ver?nderung, indem man das Bestehende bek?mpft. Um etwas zu ver?ndern, baut man Modelle, die das Alte überflüssig machen." - Richard Buckminster Fuller
?Und das gibt uns pers?nlich die Erlaubnis mit Freude zu wirken:
?Wenn wir unser eigenes Licht erstrahlen lassen, geben wir unwillkürlich anderen Menschen die Erlaubnis dasselbe zu tun.“ – Marianne Williamson
Offenheit und eine positive Ver?nderungsbereitschaft durch innere Arbeit kultivieren
Um in diese andere Ausrichtung zu kommen und sich gegenseitig zu best?rken, gibt es viele verschiedene Ans?tze. Doch letztlich geht es darum, mit uns selbst, unseren Mitmenschen und unserer Mitwelt in Frieden zu kommen. H?ufig sind wir als Menschen und vor allem als Aktivist*innen unsere eigenen sch?rfsten Kritiker*innen und stets mit unserem Wirken unzufrieden. Genauso scharf kritisieren wir das Verhalten anderer Menschen und die Umst?nde in der Welt. Genauso wie der Frieden in uns selbst beginnt, tun dies auch alle anderen Werte, die wir im Au?en erreichen wollen. Natürlich gibt es dabei ein Wechselspiel mit dem Umfeld und innere Arbeit ist weit mehr als nur ein Selbstzweck. Sie ist fundamental wichtig für das eigene Wohlbefinden und letztlich auch ein wirkungsvolles und freudiges Engagement.
Bisher wird innere Arbeit und pers?nliche Entwicklung bei Engagierten oft stark vernachl?ssigt, da sie unter dem (scheinbaren) Druck ?u?erer Umst?nde stehen.
Hilfreiche Ans?tze dafür sind, u.a.:
Wichtig ist hierbei innezuhalten und sich unabh?ngig von allem ?u?eren die Zeit zu nehmen, um sich ernsthaft und liebevoll mit sich selbst zu befassen. Es braucht einen gesunden Abstand zum eigenen Handeln, um es reflektieren und anpassen zu k?nnen.
Sherri Mitchells Buch wurde mit dem Titel ?Aktivismus hei?t Verbindung“ auf Deutsch ver?ffentlicht. Genau das fasst für mich den Kern meines Unwohlseins mit der besuchten Veranstaltung und meine Hoffnung für eine Ver?nderung in der Welt zusammen: Wenn wir als Menschen wirklich lernen mit uns selbst und mit allen anderen – nicht nur unseren Gleichgesinnten – sowie der Mitwelt in Verbindung zu gehen, wird unser Aktivismus erblühen.
Es gibt viele tolle Menschen, u.a. aus der Regenerationsbewegung, die bereits aktiv eine neue Welt gestalten und sich mit all diesen Themen auseinandersetzen. Ich kann hier nicht jede*n aufz?hlen, jedoch sehr gerne Kontakte vermitteln. Im Rahmen der diesj?hrigen CREATE Convention haben wir uns genau damit befasst. Wir laden alle, die sich für Nachhaltigkeit und Regeneration engagieren, sowie alle, die eine sch?nere Welt gestalten m?chten, herzlich zur CREATE Convention 2025 und zur CREATE Community ein.
Forschungsreisende ? Transformationsbegleiterin ? Vision?rin ? Autorin ?? zukunftsweisende Konzepte in der Erwachsenenbildung ? St?rkung der eigenen Handlungsf?higkeit (IDGs) ??Sessions ? Workshops ? Vortr?ge ??
5 个月Well said, Cathérine L.. Creating spaces of non-judgement, without fear, is a key to transform our behaviour. To remain open-minded, practice compassion, and change the status quo.
L?sungscoach und Mutmacherin in Transformationsprozessen
5 个月Danke Cathérine und ich freue mich, dass der Weg mit der CREATE Convention weiter geht.
Dedicated to creating a regenerative society through inner and outer transformation
5 个月You can find the blog post here in German: https://wemaco.eu/der-spagat-zwischen-2-welten-persoenliche-entwicklung/#haupt and here in English: https://wemaco.eu/doing-the-splits-between-2-worlds-personal-development-for-healing-instead-of-optimisation/?lang=en#haupt