Was kann man für HR im Silicon Valley lernen?
Wieso reisen so viele ins Silicon Valley?
Die Arbeit von Start-ups ist für viele Unternehmen Vorbild für die eigene Innovationsf?higkeit. Teil dieses Vorbilds ist die Kultur mit kurzen Hierarchien, mit dem Mut, Dinge zu tun und nicht in den Strukturen des Unternehmens Innovationsf?higkeit, Geschwindigkeit, Wirkung und Qualit?t zu verlieren. Die Arbeitsweise junger Unternehmen folgt dabei meist dem Prinzip ?fail fast and quick“, was meint, dass Produkte selten auf einer maximalen Güte Marktreife erhalten. Durch h?ufiges Scheitern und das Finden von guten L?sungen steigt die Produktgüte erst in der Iteration. Scrum, Prototyping und agile Workmodelle haben sich bei Start-ups in der Entwicklung besonders bew?hrt und unterscheiden sich ma?geblich zu den in der klassischen ?konomie etablierten Modellen. Das weckt natürlich Begehrlichkeiten.
Unternehmen versuchen, diese Maximen der Start-ups in ihre eigene Kultur zu übertragen, die meist eine Tradiertheit innewohnen hat. Die Devise ist klar: wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit. Die F?higkeit, sehr erfolgreiche Gesch?ftsmodelle im schnellen Wandel weiterhin erfolgreich zu halten, ist eine hohe Kunst. Der Fall Kodak zeigt, wie schwierig dieser Wandel auch für ehemalige Marktführer f?llt.
Weshalb hiesige Transformationen scheitern
Ich war selbst auf einer dieser Safaris. Das sind teils sehr zynische Elemente. Man schaut einigen bekannten und noch mehr unbekannten Firmen kurz über die Schulter. Daraus kann kein Leitfaden für eine solide und nachhaltige Transformation gelingen. 70 % aller Ver?nderungsinitiativen scheitern.
Viele Führungskr?fte wollen einen Zustand der Stabilit?t erreichen. Missst?nde hingegen werden nicht als Inkoh?renzen des bestehenden Systems oder Prozesses betrachtet, sondern als Argument für eine notwendige Transformation. Der schnelle Ver?nderungsimpuls geschieht aus den falschen Treibern. Mit vernünftigen Analytics k?nnte aus der einen oder anderen Transformation schnell ein überschaubares Projekt werden, welches die Organisation nicht über Jahre hinweg l?hmt oder sogar stilllegt. Doch der schnelle Ver?nderungsimpuls führt all zu oft zu gro?en Transformationsketten. Wie kommt es zu diesem Ph?nomen? Zum einen definieren sich viele Führungskr?fte durch den Impetus des Machens. Permanent in Bewegung zu bleiben und die Organisation in Bewegung zu halten, ist rein subjektiv für viele der entscheidende Wert zur Beurteilung der eigenen Gro?artigkeit. Wir sind bei der unverh?ltnism??ig hohen Bedeutung der Input-Orientierung vs. des Messens des Resultats – also der Outputorientierung. Facetime z?hlt mehr als die Arbeitsresultate.
Für neue Führungskr?fte und Manager kommt hinzu, dass sie schnell gute Argumente für ihre Einstellung generieren wollen. Was liegt da n?her als allen zu zeigen: Ich bin ein Macher! Missst?nde und Unzul?nglichkeiten sind da pr?destinierte Gründe, um ein Ver?nderungsprogramm durchzuführen. Das hat weniger was mit Führung – also der zielgerichteten Einflussnahme auf die Ergebnisse – zu tun, sondern mit dem Bedienen tradierter Werte der Input-Orientierung. Dabei werden viele Ver?nderungsprogramme gestartet, deren Wirkung aber nicht die Ursache der Missst?nde l?st. An den Wirkungen entlang werden Verbesserungen implementieren, die eben nicht die Ursache der Fragestellungen angehen, sondern nur die wahrgenommene Wirkung. Das sind Stellvertreterproblematiken! Wir analysieren falsch und reagieren strategisch auf die falsche Analyse. Weshalb sollte das gelingen?
Sie wollen verstehen!
Je l?nger an einem Produkt, einer Kultur oder einer Strategie festgehalten wird, desto mehr Geld, Ressourcen, Kapital, Kapazit?ten und Marktanteile gehen ins Risiko. Eine moderne und zeitgem??e Kultur erfordert das beste aus beiden Welten. Zum einen der für deutsche Produkte und Services weltweit gerühmte Qualit?tsanspruch, zum anderen die Wendigkeit digitaler Produkte und Services. Es geht um das Miteinander von Innovation mit Tradition. In der Organisationspsychologie wird dies Ambidextrie genannt, also die Beidh?ndigkeit, das gleichzeitig Best?ndigkeit und Wendigkeit meint, also dass der Fokus auf ?konomische Effizienz und gleichzeitiger Flexibilit?t und Innovationsf?higkeit gelegt wird.
Letztlich ist die Innovationsf?higkeit im Wandel der Unternehmen der digitalen Transformation eine Kulturfrage. Jahrzehnte des Führungsstils Command & Control haben den Mut beschnitten, das Führen über Merkmale der Inputorientierung, Pr?senz und Risikominimierung in weiten Teilen das Potenzial der Mitarbeiter nicht sonderlich weiterentwickelt, leider sogar stutzt und begrenzt. Wir haben durch jahrzehntelange Sozialisierung Entscheidungsspielr?ume verengt, Angst vor Fehlern gepflegt, eine Superstarkultur gepr?gt, an deren diametrales Ende das Scheitern und das Fehlermachen steht. Eine neue Kultur ist das Ergebnis der sozialen Transformation – die Kultur, wie Ihr Unternehmen die Zukunft gestalten will.
… weshalb die Dinge dort gelingen,
die wir hier weder organisatorisch, noch kulturell schultern k?nnen.
Menschen sind in der derzeitigen Kultur seit Jahren sozialisiert. Um nun modern, agil und ambidext zu agieren, fehlt der n?tige intrinsische und extrinsische Impuls. Command & Control bediente eine S?ldnermentalit?t mit eigener Risikoabsicherung. Die Sozialisierung bedingt allerdings, dass das Rausgehen aus der Komfortzone, ein Verlassen einer kommoden Ebene, ein Eingehen von Risiko, gerade in puncto Fehler machen, in keine automatisch gute Richtung geht. Die Führung und die Kultur k?nnen hierfür wichtige Anreize schaffen und einen Rahmen geben. Ein Rahmen geh?rt dazu, das meint sprichw?rtlich eben auch die Box im Org-Chart. Der Wandel gelingt nicht disruptiv, sondern in kleinen Schritten. Nehmen Sie Mitarbeitern die Komfortzone, brauchen sie ad?quaten Halt in der Aufgabe und neuen Zielen.
Die Organisation muss lernend sein. Lernen hei?t aber auch, permanent ausprobieren und Fehler machen k?nnen. In Deutschland sind wir oftmals noch Biografie-orientiert, verliebt in Zertifikate, akademische Qualifikationen und die so genannte Kaminkarriere mit hygienisch keimfreien Lebensl?ufen. Entscheidend für Leistung sind allerdings ganz andere Themen. Insbesondere die Affinit?t zu Daten, ein Faible für die Chancen der Digitalisierung und ein Verst?ndnis für das Business kennzeichnen den Dreiklang aktuell gefragter Profile.
Generationen denken unterschiedlich
Das Umfrageunternehmen Companize hat eine interessante Perspektive entwickelt: Karrierechancen, Weiterbildung und Gehaltserh?hung sind nicht mehr der elementare Teil der Loyalit?t zu einem Arbeitgeber. Sicherheit wird viel h?her gewertet (69 %). Die pünktliche Gehaltszahlung ebenfalls (61 %).
Dass der sichere Arbeitsplatz in einem konzentrischen Arbeitnehmermarkt den Spitzenplatz einnimmt, überrascht auf den ersten Blick. Insbesondere, weil die Bewertung durch Fachkr?fte entstanden ist. ?Nehmen Fachkr?fte das Arbeitsklima als schlecht wahr, steigt die Relevanz einer hohen Vergütung um das Dreifache an und verdr?ngt sogar den sicheren Arbeitsplatz vom ersten Platz“
Weshalb uns der Wandel so schwer f?llt
Eine typische menschliche Reaktion ist es, sich in einem sicheren Cocoon einzunisten. Wir vermeiden Risiko und sichern uns ab – fachlich, führungstechnisch und verhaltensbedingt. In der Fachlichkeit wollen wir unangreifbar sein, was die Reaktionen erkl?rt, Fehler zu vermeiden bzw. nicht offen über Fehler zu sprechen. In der Führung spiegeln wir die Erwartungen der direkten Führungskraft wider, um im besten Licht zu stehen. Verhalten lernen wir in der sprichw?rtlichen Sozialisierung des ?Systems“.
Durch die Globalisierung, Digitalisierung und den Wertewandel, gepaart mit dem ungeschriebenen Gesetzt, dass man jederzeit über das Smartphone reaktionsschnell sein muss, sind wir grunds?tzlich der überforderung nahe. Die Entwicklung ist so schnell, dass wir nicht Schritt halten. Neue Kompetenzen entstehen, bestehende entwickeln sich zügig weiter, der Alltag wird zunehmend komplexer und volatiler. Die Planbarkeit, eines der Grundbedürfnisse für das Cocooning, entschwindet. Transformation wirkt gesellschaftlich, nicht technologisch!
Wir bewegen uns in einem neuen Mix der Kompetenzen der Gegenwart und besch?ftigen uns mit der Frage, wie sich diese künftig weiterentwickeln. Was ist wichtig und was ist notwendig? Dazu mehr in einem anderen Blog-Beitrag.
Bewegungen und Trends im Markt
Wir beobachten einige Trends im Markt, die wir Personaler ernst nehmen und in unserer Arbeit reflektieren müssen. Auf etliche Unternehmen wirken Einflüsse, die so genannten Megatrends. Oftmals umschreiben wir diese Trends mit den überschriften Demografie, Globalisierung, Digitalisierung. Ebenso gleichwertig sind die Bedürfnisse der verschiedenen Generationen, die eins alle gleich haben: das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Menschen wollen ernst genommen werden, sie wollen einen Beitrag leisten, sie sind unser Asset!
Diese Trends hier sind in einer sicherlich nicht vollst?ndigen Liste wichtige Aspekte, die unsere Strategien beeinflussen:
- Arbeitswelt wird stetig variabler werden (müssen)
- Hierarchien werden verkürzt (aber sie sind nicht flach!)
- ?Systeme“ l?sen sich von hierarchietreuer Kommunikation
- “Empowerment” der Mitarbeiter ist der zentrale neue Faktor zur Abl?sung von Command & Control
- Mitarbeiter stehen deutlich mehr im Zentrum des Handelns (keine Ressource mehr, sondern Asset)
- geben Sie der Box im Org-Chart keine gro?e Bedeutung (Ihre Mitarbeiter müssen wissen, dass ?Organisation“ nicht Vorrang hat vor dem Unternehmenserfolg)
- Ver?nderung (Change) ist kein Projekt mehr, sondern ein kontinuierlicher Prozess
- Work-Life-Balance ist ein Irrglaube – Arbeit und Leben konkurrieren nicht miteinander
- Resultate statt Prozesse
- Führung wird in Teilen durch selbstverantwortliche Steuerung ersetzt
- Organisationen reihen Menschen um Prozesse. Moderne Strukturen organisieren leistungsf?hige Teams um Resultate
Der Wandel f?llt hiesigen Organisation schwer. Die Gründe hierfür bestehen unter anderem aus den nachfolgenden Treibern, für die Sie in Ihren Unternehmen Ma?nahmen erarbeiten müssen, um den Wandel zu begleiten:
- oft wird der Wandel als tempor?r verstanden, eher als Projekt mit Scope, Anfang und Ende
- Furcht vor Unbest?ndigkeit und Unsicherheit
- Intuition wird kein ausreichender Raum geben (Bauchgefühl entscheidet aber am Ende einer strukturierten Matrix)
- Probleme und Problemstellungen werden nicht ausreichend Raum geben (Teil der Fehlerkultur), mehr noch, Probleme und Fehler werden sogar noch verteidigt (siehe defensiver Reflex bei Menschen – Menschen haben das psychologische Bedürfnis zu glauben, dass ihr System effektiv und in seiner Form berechtigt ist)
- ein Vermeiden, aus der Komfortzone rauszukommen (Resistance) und um Hilfe zu bitten
- Führungskr?fte müssen vermeiden, dem Impetus des ?geliebt werdens“ zu folgen
- F?higkeit, zu delegieren, fehlt. Mikromanagement die Folge daraus (fehlendes Vertrauen)
- Fokus auf ?Quick-fixes“ und schnelle L?sungen bei komplexen Strukturproblemen, anstelle von komplexer Analyse und strukturierter Vorgehensweise
- Transformation starten ohne direkten Bezug zur Businessstrategie
- zu viel in Stabsstellen agieren, zu wenig Einbindung der Fachbereiche
- zu unklare Kommunikation über das Für und Wider
Sie sehen, im Grunde ist es ganz einfach. Doch weshalb f?llt es uns so schwer? Verbleiben wir einen Moment bei Jobst Fiedler und seinem Bonmot: “Ein Auto kann ich nicht von innen anschieben“. Denken Sie drüber nach. Zumindest die Start-up-Kultur hat – vermutlich in Unkenntnis dieses Bonmots von Prof. Fiedler – eine Definition von Arbeit, Resultatorientierung, Führung und Kultur, die oben erw?hnte Wandelaversion, die Bewahrermentalit?t, die tradierte Beharrlichkeit und das Kappen von Leistungstreiberns sehr gut untergewichtet. Sie stimulieren Elemente und Aspekte, die sie erfolgreich machen.
Wünsche Ihnen eine sch?ne Woche.
Beste Grü?e
Marcus Reif
Quelle Bild: https://www.defense.gov/News/Article/Article/604522/carter-visits-silicon-valley-companies-to-enhance-dod-technology-innovation/
Coaching | HR Projekte | HR Interim Manager || AUFGER?UMT . LEICHTER . LEBEN??#Rucksackaufr?umen || authentisch und auf Augenh?he erfolgreich sein.
6 年Was für ein gro?artiger Artikel!!! Der Artikel trifft aus meiner Sicht unser aller Herausforderung auf den Punkt !
Excellence ganz pragmatisch
6 年Danke für diese sehr pr?zise und umfassende Analyse. Ich kann aus meiner Erfahrung jedes Wort unterschreiben. Eine Frage habe ich noch: Hierarchien werden verkürzt (aber sie sind nicht flach!). Das entspricht nicht ganz meiner Erfahrung z.B. mit Expertenorganisationen. Da wird insbesondere das mittlere Management h?ufig durch sich selbst (im Rahmen von strategischen Leitplanken) organisierende Teams abgel?st. K?nnen Sie mir mit einer Definition von "verkürzt" weiterhelfen?? Mit besten Grüssen Joachim Horner
Performance, Data Analytics & Controls Specialist bei Unilever
6 年?u?erst fokussiert das Problem vieler gro?er Unternehmen im digitalen Zeitalter analysiert.
MOA (manager of all) of Pure Sch?nheit, Passion for Organic Cosmetics
6 年Let's do it