Interview zum regenerativem Wandel mit Christian Sigmund, CEO und Mitgründer von WILDPLASTIC?

Interview zum regenerativem Wandel mit Christian Sigmund, CEO und Mitgründer von WILDPLASTIC?



Unternehmensvision

Kannst du uns einen kurzen überblick über dein Unternehmen und eure regenerative Mission geben?

Christian: Gemeinsam mit lokalen Sammelorganisationen holen wir in L?ndern ohne ausreichende Abfallwirtschaft Plastikmüll, der in der Umwelt liegt – das sogenannte wilde Plastik – in bestehende Recyclingkreisl?ufe zurück. Derzeit arbeiten wir zum Beispiel mit Organisationen in Indien, Thailand, Indonesien und Senegal. Das wilde Plastik verarbeiten wir zu zirkul?ren Produkten wie Mülltüten und Versandtaschen. Darüber hinaus haben wir noch viele Ideen und arbeiten st?ndig an neuen Produkten aus wildem Plastik.


Wenn du einen Blick zurückwirfst – gab es einen konkreten Ausl?ser, ein pers?nliches Erlebnis, wodurch du aktiv geworden bist?

Christian: Wir standen auf unseren Reisen auf den Müllbergen dieser Welt und uns ist klar geworden: Das geht so nicht weiter. Wir holen weltweit immer mehr fossile Energietr?ger aus dem Boden und nutzen die vorhandenen Ressourcen zu wenig. Unsere unternehmerische Antwort war, zu sagen: Wir wollen jetzt anpacken, wir wollen jetzt was ver?ndern und wir wollen jetzt dafür sorgen, dass mehr von dem verwendet wird, was bereits da ist.


?WILDPLASTIC?


Herausforderungen & Hindernisse

"Es ist eine Haltung zur Zukunft der Wirtschaft." – Christian Sigmund

Welche wesentlichen Herausforderungen sind dir auf dem Weg zu einem regenerativen Gesch?ftsmodell begegnet?

Christian: WILDPLASTIC? ist eine Purpose GmbH. Unternehmerische Gewinne sind ein Mittel zum Zweck und die Eigentümerschaft liegt g?nzlich im Unternehmen. Ein Verkauf/ Exit ist nicht m?glich, weil wir der nachhaltige Mittelstand von Morgen werden wollen. Zum aktuellen Zeitpunkt l?sst sich eine sogenannte Purpose GmbH nur durch einen Umweg in der Satzung rechtlich festlegen. Doch zusammen mit der Purpose Stiftung, der Stiftung Verantwortungseigentum und vielen anderen Unternehmer*innen k?mpfen wir dafür, dass es bald eine eigene Rechtsform gibt. Für uns ist Purpose aber nicht nur die Art, wie wir WILDPLASTIC? strukturieren und führen wollen, es ist viel mehr als das: Es ist eine Haltung zur Zukunft der Wirtschaft.


Von was müssen Menschen, die sich auf den Weg machen, lernen loszulassen?

Christian: Wir müssen den Widerspruch aushalten, dass wir nicht alles sofort ?ndern k?nnen. Aber es ist eben wichtig, dass wir beginnen es zu tun! Wir sagen immer: es braucht viele von uns – eigentlich alle von uns. Daher sehen wir uns auch als einen Teil von vielen tollen Organisationen und Unternehmen, die neue Wege gehen. WILDPLASTIC? wird nicht allein das gro?e Müllproblem unseres Planeten ?ndern, aber wir sind aktiv, laut und wild – wild darauf eines der gr??ten Probleme unserer Zeit anzupacken.


?Ronja Lamberty


Erfolgsstrategien & “Hacks”

Kannst du spezifische Strategien oder 'Hacks' nennen, die deinem Unternehmen geholfen haben, regenerativer zu werden?

Christian: WILDPLASTIC? wurde von Beginn an als Unternehmen in Verantwortungseigentum gegründet. Viele Unternehmer*innen stehen immer wieder vor dem Dilemma, dass sie sinnvolle Dinge machen wollen und gleichzeitig ihre Stakeholder und Investor*innen zufriedenstellen müssen.

"Das Narrativ der kontinuierlichen Gewinnmaximierung funktioniert jedoch in einer Zeit gepr?gt von Krisen nicht mehr."

Wir finden, Wirtschaft muss für alle funktionieren und dabei vor allem für die n?chsten Generationen und unseren Planeten. WILDPLASTIC? ist nicht wild auf Gewinnmaximierung, sondern setzt seinen Fokus auf gesundes und nachhaltiges Wachstum, um verantwortungsvoll die Welt zu ver?ndern.


Was ist aus deiner Sicht der wirklich entscheidende Faktor für die regenerativen Transformation? Spielen Innovationen oder Technologien eine Rolle?

Christian: Dass es ClimateTech Innovationen braucht, steht au?er Frage. Worüber weniger gesprochen wird, ist die Notwendigkeit von sozialen Innovationen. Die regenerative Transformation ist ja nicht nur ein CO2-Thema! Ohne gesundes, soziales Fundament werden wir es nicht schaffen.

Ob wir die nachhaltige Transformation der Wirtschaft realisieren k?nnen, h?ngt dabei ma?geblich von der passenden Finanzierung ab. Die Kreislaufwirtschaft schafft ein v?llig neues System, und dieses System braucht auch neue, regenerative Wege der Finanzierung. WILDPLASTIC? finanziert sich über Anteile, die Finanzierungspartner*innen eine ad?quate Beteiligung am unternehmerischen Erfolg erlauben. Die Anteile sind im Gewinnrecht gedeckelt und stimmrechtslos, somit bleibt die Kontrolle im Unternehmen. Im unternehmerischen Erfolgsfall werden Teile der Gewinne verwendet, um die Finanzierungspartner*innen für ihr Risiko ad?quat zu kompensieren. Dies geschieht bis zu einem vereinbarten Cap. Danach werden die Gewinne in den Unternehmenszweck reinvestiert. Somit vereinbaren wir eine nachhaltige Mission mit einer passenden Wachstumsfinanzierung.

"Worüber weniger gesprochen wird, ist die Notwendigkeit von sozialen Innovationen. Die regenerative Transformation ist ja nicht nur ein CO2-Thema! Ohne gesundes, soziales Fundament werden wir es nicht schaffen." – Christian Sigmund

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WILDPLASTIC? x Hermes


Prinzipien und Unternehmenskultur

Habt ihr grundlegende Prinzipien, die euer regeneratives Gesch?ftsmodell leiten?

Christian: Unser Handeln basiert auf drei Werten:

  • WILDNESS: Wir sind wild, mutig und probieren Neues aus. Wir wachsen über unsere Grenzen hinaus, um unsere Vision zu erfüllen und bewahren dabei immer unsere Leichtigkeit und unseren Humor.

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  • RESPONSIBILITY: Wir ergreifen die Initiative und übernehmen Verantwortung für uns selbst, die Umwelt und alle, die von unserem Handeln betroffen sind. Wir agieren ganzheitlich und langfristig.

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  • COMMUNITY: Wir laden alle dazu ein, Teil der L?sung zu sein: unsere Sammler*innen, Kund*innen, Partner*innen und Lieferant*innen. Es braucht starke Systeml?sungen! Wir vertrauen uns gegenseitig, begegnen uns auf Augenh?he und kommunizieren ehrlich, emphatisch und transparent.


Wie hat sich die Kultur in deinem Unternehmen durch den Fokus auf Regeneration entwickelt?

Christian: “Wild auf Wandel”, das beschreibt unsere Kultur bei WILDPLASTIC? wohl am besten. Die kulturelle Herausforderung ist es, dass wir so viele, wichtige Themen gleichzeitig adressieren und anpacken wollen. Wie schaffen wir es waste recovery, Zirkularit?t, Gerechtigkeit im informellen Sektor, nachhaltigen Konsum sowie regeneratives Wirtschaften zusammenzubringen?

Ich glaube, jede Person bei WILDPLASTIC? ist bei der Mission dabei, um wirksam zu werden und eben einen wichtigen Teil der Ver?nderung bei den obigen Themen beizutragen. Das motiviert wahnsinnig und führt auch zu einer sehr kollaborativen Kultur.


WILDPLASTIC? x OTTO


Messung von Erfolg und Impact

Kannst du konkrete Beispiele nennen, wie dein Unternehmen positive Umwelt- oder soziale Auswirkungen erzielt hat?

Christian: Allein im Jahr 2023 haben wir knapp 310 Tonnen wildes Plastik zurück in den Kreislauf geholt, etwa 700 Tonnen CO? im Vergleich zu Produkten aus Neuplastik eingespart und 6.700 Tage mit besseren Arbeitsbedingungen für die Sammlerinnen und Sammler vor Ort erm?glicht.


Wie misst du den Erfolg und die Auswirkungen deiner regenerativen Bemühungen? Kannst du ein konkretes Erfolgsbeispiel nennen?

Christian: Wir arbeiten sehr transparent und wissenschaftlich. Wir haben zum Beispiel einen Life-Cycle-Assessment, also eine ?kobilanzierung gemacht, bevor wir das erste Produkt überhaupt fertig entwickelt hatten. Wir haben geschaut: Macht es aus der CO2-Bilanz-Perspektive Sinn, wildes Plastik zu retten? Das Ergebnis: Im Vergleich der Umweltauswirkungen mit ?hnlichen Produkten, schneiden unsere Müllbeutel im Durchschnitt besser ab. Auch wenn es auf den ersten Blick verrückt erscheint: da die Erd?lf?rderung und Produktion von Neuplastik so CO2 intensiv ist, ist es nachhaltiger, das gesammelte Folienplastik zu transportieren und zu recyceln.???


Gibt es spezifische Pl?ne oder Ziele, die du in den kommenden Jahren erreichen m?chtest?

Christian: Wir wollen die Lieferketten weiter auszubauen und mehr Sammelorganisationen einbinden. Denn die lokalen Sammelorganisationen sind die wahren Helden in dieser Situation. Sie sind in der Lage zu wachsen und vor allem als System zu wachsen und damit einen gro?en Beitrag zur Probleml?sung beizutragen. Die Herausforderung für diese Organisationen ist, dass sie unter enormen ?konomischen Druck stehen. Wir von WILDPLASTIC? sehen die informelle Abfallwirtschaft als einen kritischen Systemteil der Zukunft. Wir glauben, dass es das nicht nur heute, sondern in Zukunft ganz dringend braucht, um überhaupt mit den ganzen Stoffstr?men umzugehen. Es fehlt an einem System. Dieses System muss aber erst einmal finanziert werden und das geht nur, wenn wir diejenigen st?rken, die es heute bereits tun.


?Ronja Lamberty


Zusammenarbeit & Netzwerke

Wie wichtig ist die Kollaboration für dich – zum Beispiel die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, Regierungen oder NGOs für deinen regenerativen Ansatz? Kannst du ein Beispiel teilen?

Christian: Die Zusammenarbeit mit anderen ist extrem wichtig, um eine echte Wirkung zu erzielen. Deshalb sind wir sehr froh, gro?e und kleine Partner an unserer Seite zu haben, den jede Kooperation unterstützt unserer Mission. Versandh?ndler OTTO setzt z.B. nur noch Versandtaschen von WILDPLASTIC? ein. Neben den vielen aufger?umten Tonnen Plastikmüll und dem eingesparten CO2 dürfen wir die soziale Wirkung nicht vergessen. Die Umstellung auf 100% WILDPLASTIC? hat auch zur Folge, dass informelle Sammelorganisationen auf der ganzen Welt in ihrer wichtigen Arbeit gest?rkt werden. Die Zusammenarbeit mit OTTO hat inzwischen rund 7.000 Tage mit besseren Arbeitsbedingungen für die Sammler*innen erm?glicht.


WILDPLASTIC? x OTTO


Ratschl?ge für andere Unternehmen

Welchen Rat würdest du anderen Unternehmen geben, die einen regenerativen Ansatz verfolgen m?chten? Wie kommt man ins Machen, anstatt nur davon zu reden?

"Wie müsste es aussehen, damit der Wandel nicht nur ein bisschen weniger schlecht, sondern wirklich transformativ gut ist?"

Christian: Zeichnet ein positives Zukunftsbild für euch, euer Unternehmen und eure Industrie! Wenn man mal tr?umen darf, wie sieht dieses Bild denn aus? Was sind eure utopischen Szenarien? Wie müsste es aussehen, damit der Wandel nicht nur ein bisschen weniger schlecht, sondern wirklich transformativ gut ist? Dieses Bild im Kopf ist deshalb wichtig, weil wir ansonsten beginnen all das zu sehen, was nicht geht oder schwierig ist. Und wir werden logischerweise durch ein paar schmerzhafte Prozesse gehen müssen, um eine regenerative Wirtschaft zu bauen.??

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Welches Versprechen kannst du Unternehmen geben, die sich auf den Weg der regenerativen Transformation begeben wollen?

Christian: Macht euch auf den Weg, seid mutig, ihr werdet es nicht bereuen!


?Anna Ziegler

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Michael Johannes Müller

Mit Purpose und Mut zur Transformation zukunftsf?higer Organisationen ?? Organisationsberater @covolution

6 个月

Ich liebe die Mülls?cke von WILDPLASTIC? !!! Danke für Euer Regeneratives Wirtschaften.

Ein starkes Beispiel dafür, wie Unternehmen Verantwortung für die Umwelt übernehmen k?nnen. Gro?es Dankesch?n an WILDPLASTIC? ????

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