Europa auf dem Weg in die Katastrophe

Europa auf dem Weg in die Katastrophe

Nach dem Lockdown ein Blackout?

(überarbeitete und erweiterte Version: https://www.saurugg.net/wp-content/uploads/2021/04/europa-auf-dem-weg-in-die-katastrophe.pdf)

Abstract

Das europ?ische Stromversorgungssystem befindet sich in einem fundamentalen Umbruch. Was aus klimaschutzpolitischer Sicht unverzichtbar ist, führt durch eine nicht systemische Vorgangsweise zu einer immer gr??er werdenden Fragilit?t des Verbundsystems. Statt fundiertes Grundlagenwissen bestimmen Einzelinteressen, Ignoranz, Wunschvorstellungen und Aktionismus die Vorgangsweise, was in der gr??ten Katastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg enden k?nnte.

Noch haben wir die M?glichkeit, diesen fatalen Pfad zu verlassen. Dazu w?re aber ein rasches und entschlossenes politisches Handeln erforderlich, das derzeit nicht erkennbar ist. Insbesondere in Deutschland, wo das durch den bevorstehenden Wahlkampf noch weniger zu erwarten ist.

So müsste umgehend ein systemischer Umbau des europ?ischen Stromversorgungssystems in robuste Energiezellen in die Wege geleitet werden, um die sich abzeichnende St?ranf?lligkeit zu reduzieren. Technisch w?re das kein Problem, da das notwendige Wissen vorhanden ist und dieser Umbau im laufenden Betrieb erfolgen k?nnte.

Die gr??te Hürde stellt unser bisher erfolgreiches gro?technisches Denken dar, das durch ein komplement?res Komplexit?ts- und vernetztes Denken erg?nzt und zur Maxime gemacht werden müsste. Dazu sind jedoch entsprechende Rahmenbedingungen erforderlich. Der derzeitige Weg geht aber in die gegengesetzte Richtung, in die Zentralisierung, womit aber ein zunehmend komplexer werdendes System nicht beherrschbar ist.

Die Stromversorgung ist unsere wichtigste Lebensader, ohne der unsere moderne Gesellschaft binnen weniger Tage zerst?rt werden k?nnte. Das sollten wir verhindern.

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Am 8. Januar 2021 kam es zur bisher zweitschwersten Gro?st?rung im europ?ischen Stromversorgungssystem (ENTSO-E/RG CE - Regional Group Central Europe). Diese verlief im Vergleich zur ersten am 4. November 2006 noch sehr glimpflich. Damals mussten binnen 19 Sekunden 10 Millionen Haushalte in Westeuropa vom Stromnetz getrennt werden, um einen europaweiten Kollaps zu verhindern. Diesmal waren ?nur“ gro?e Unternehmenskunden in Frankreich und Italien betroffen, die sich für einen solchen Fall vertraglich dazu bereit erkl?rt haben. Durch die sich seit 2006 laufend verbessernden Vorsorge- und Kommunikationsma?nahmen der 43 übertragungsnetzbetreiber des europ?ischen Verbundsystems konnte die St?rung nach rund einer Stunde behoben werden. Daher hat auch kaum jemand mit dieser erneuten Gro?st?rung gerechnet und niemand wei?, ob die vorgesehenen Sicherheitsmechanismen auch beim n?chsten Zwischenfall rechtzeitig greifen werden. Im schlimmsten Fall k?nnte es zu einem europaweiten Strom-, Infrastruktur- sowie Versorgungsausfall, einem sogenannten ?Blackout“, kommen, wie dies das ?sterreichische Bundesheer oder der Autor binnen der n?chsten fünf Jahre erwarten. Das Ereignis am 8. Januar 2021 sollte daher als sehr ernst zu nehmende Warnung verstanden werden.

Seit Jahren steigen im europ?ischen Verbundsystem die Aufw?nde, um die Netzstabilit?t aufrechterhalten zu k?nnen. So sind etwa die ?sterreichischen Engpassmanagementkosten, also jene Aufw?nde, um akut ein Blackout abzuwenden, von 2 Millionen Euro im Jahr 2011 auf 346 Millionen Euro im Jahr 2018 explodiert. Statt 2 Eingriffe waren binnen weniger Jahre Eingriffe an 301 Tagen erforderlich. Die Aufw?nde sind zwar 2019 und 2020 zurückgegangen, aber dennoch weiterhin auf sehr hohem Niveau. Die Ursachen liegen vor allem in der fehlenden Systemanpassung an die sich inzwischen stark ge?nderten Rahmenbedingungen, auch bedingt durch die notwendige Energiewende.

Fehlenden Speicher und Puffer

Wind und Sonne stehen nicht immer zur Verfügung und zum Teil kommt es zu erheblichen Abweichungen zwischen den Prognosen und der tats?chlichen Produktion. In einem System, wo w?hrend 31.536.000 Sekunden pro Jahr die Balance zwischen Erzeugung und Verbrauch ausgeglichen sein muss, ist das eine enorme Herausforderung, da vor allem System-dienliche Speichern und Puffer fehlen, was nur durch weitreichende Kraftwerksinterventionen behoben werden kann. Das kann keine Dauerl?sung darstellen. Zudem steigt durch die permanente Stresssituation auch die St?ranf?lligkeit des Gesamtsystems.

W?hrend in ?sterreich theoretisch rund 3.300 GWh an Pumpspeicherkapazit?t zur Verfügung stehen, sind es in ganz Deutschland nur rund 40 GWh. Ohne nennenswerte Ausbaupl?ne. Bei einem aktuellen Stromverbrauch von 60 bis 80 GW k?nnte Deutschland damit nicht einmal eine Stunde des eigenen Stromverbrauches decken. Ganz abgesehen davon, dass das technisch gar nicht m?glich w?re, da nur 11 GW an Engpassleistung zur Verfügung stehen. In ganz Europa stehen derzeit Speicher mit einer Turbinenkapazit?t von rund 47 GW zur Verfügung, zwei Drittel davon mit Pumpm?glichkeit, um bei Stromüberschuss die Speicherbecken wieder füllen zu k?nnen. Damit kann nur ein Bruchteil des europ?ischen Verbrauches gedeckt bzw. zwischengespeichert werden.

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Das Speicher-Thema reicht zudem von inh?rent bis saisonal, wozu unterschiedliche Technologien erforderlich sind. Bei der bisherigen Energiewende wurde n?mlich au?er Acht gelassen, dass konventionelle Kraftwerke den Speicher in der Prim?renergie (Atombrennst?be, Gas, Kohle, ?l) integriert haben, womit man die st?ndigen Verbrauchs?nderungen ausgleichen kann. Aber nun gibt es einen steigenden und zunehmend schwieriger zu prognostizierenden Verbrauch und gleichzeitig eine volatile Stromerzeugung. Zwei Dinge, die ohne entsprechende Speicher und Puffer nicht in Einklang zu bringen sind.?

Power-to-X

Für die saisonale Speicherung gilt Power-to-X als gro?e Hoffnung, insbesondere die Nutzung von Wasserstoff. Grunds?tzlich klingt das sehr verlockend, da mit dem Gasnetz bereits eine bestehende Infrastruktur zur Verfügung stehen würde. Das dazu aber noch einige gro?e Herausforderungen zu l?sen sind, wird meist nicht erw?hnt. Schon gar nicht, die Kosten. Durch die Ankündigung einer gro?en finanziellen F?rderwelle wurde aber eine Goldgr?berstimmung ausgel?st und viele Ankündigungen überschlagen sich. Es ist zu erwarten, dass das eine oder andere Goldnugget auch gefunden wird. Aber das damit binnen der n?chsten wenigen Jahre ein gro?er Durchbruch und eine breite Umsetzung m?glich sein werden, sollte eher nicht erwartet werden. Wir brauchen aber rasch umsetzbare L?sungen, nicht erst in 10 oder 20 Jahren. Zum anderen wissen wir noch relativ wenig über die potenziellen Nebenwirkungen, beispielsweise des Wasserdampfs, der bei der Rückverstromung im gro?en Stil freigesetzt wird. Was noch mehr bei der geplanten Methanisierung zu berücksichtigen ist, da hier die Auswirkungen bereits bekannt sind: Methan ist deutlich klimasch?dlicher als CO2.

Widersprüchlichkeit

Ganz generell gilt, dass es keine Energieform gibt, die nicht ohne Nebenwirkung w?re. Auch für Wind und PV-Anlagen werden enorme Ressourcen ben?tigt, was leider meist verzerrt wahrgenommen wird. Die Einzelanlage ist klein und überschaubar. Aber wenn die konkrete Leistungsf?higkeit und das auch noch über einen Zeitraum eines Jahres betrachtet werden, schaut die Welt gleich anders aus. Durch eine falsche Betrachtungsweise werden meistens ?pfel mit Birnen verglichen, oder Durchschnittswerte herangezogen. Für den Betrieb ist aber nur relevant, welchen Beitrag die jeweilige Energieerzeugung für die permanent notwendige Balance gew?hrleisten kann. Also nicht statistisch übers Jahr gerechnet, sondern planbar, verl?sslich und konstant. Würde das gemacht werden, w?re rasch klar, dass dazu weit mehr als nur eine Erzeugungsanlage erforderlich ist.

Genau diese Betrachtungsweise ist erforderlich, um einen systemischen Umbau unserer wichtigsten Lebensader sicherstellen zu k?nnen. Wir werden hier mit unserem entweder-oder-Denken nicht weiterkommen. Es braucht ein sowohl-als-auch-Denken, um die vor uns stehenden Herausforderungen zu meistern. Der CO2-Aussto? kann mit Erneuerbaren Energien deutlich verringert werden, jedoch brauchen wir gleichzeitig auch andere Systemelemente, um die bisher gewohnte sehr hohe Versorgungssicherheit gew?hrleisten zu k?nnen.

Momentanreserve

Ein anderes kaum beachtetes und sehr kritisches technisches Detail betrifft die Momentanreserve, also die rotierenden Massen konventioneller Kraftwerke. Denn mit der Stilllegung von Atom- und Kohlekraftwerken, werden auch diese im gro?en Stil vom Netz genommen. Die Schwungmassen der Synchrongeneratoren sind aber für die Frequenzerzeugung und -haltung von zentraler Bedeutung, da hier permanent ohne Steuerungseingriffe mechanische in elektrische Energie umgewandelt wird und umgekehrt. Ein rein physikalischer Vorgang. Das kann man sich auch als gro?e Sto?d?mpfer für Belastungsst??e vorstellen, die bisher dafür gesorgt haben, dass das europ?ische Verbundsystem so stabil funktioniert. Diese werden aber nun nach und nach reduziert und gleichzeitig kaum ersetzt, weil PV- und Windkraftanlagen diese Systemfunktion nicht mitbringen. Damit steigt die St?ranf?lligkeit des Systems.

Die Momentanreserve ist ein inh?rent vorhandener Energiespeicher, der einen kurzfristig auftretenden Energieüberschuss zwischenpuffern kann. Die erzeugte Frequenz des Wechselstromes zeigt daher auch immer an, ob ein Leistungsmangel oder ein Leistungsüberschuss im Gesamtsystem vorhanden ist. über die Frequenz k?nnen daher IT-unabh?ngig Regeleingriffe zielgerichtet erfolgen und das Gesamtsystem stabil gehalten werden.

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Umsetzungsgeschwindigkeit

Es gibt bereits Ans?tze mit gro?en System-dienlichen Batteriespeichern und einer entsprechenden Leistungselektronik, wie sie etwa bereits in Südaustralien, Gro?britannien oder nun auch in Texas zum Einsatz kommen, um die Momentanreserve nachzubilden und zu kompensieren. Das ist eine Erg?nzung, welche jedoch niemals die komplette Momentanreserve ersetzen kann. Auch hier gilt wieder ein sowohl-als-auch. Diese Systeme müssen aber im ENTSO-E RG CE Netz erst im gr??eren Stil implementiert werden. Wie so oft scheitert es nicht am Wissen oder an der Technik, sondern an der Umsetzung. Und zwar in der gleichen Geschwindigkeit, wie die anderen Ma?nahmen getroffen werden.

Der deutsche Alleingang

Das gr??te Problem stellt derzeit der deutsche Alleingang dar, wo der zweite vor dem ersten Schritt gesetzt wird: So werden in den n?chsten Monaten konventionelle Kraftwerke im gro?en Stil abgeschaltet, ohne einen gleichwertigen Ersatz dafür zur Verfügung zu haben. Bisher wurde fast nur auf den raschen Ausbau von Wind- und PV-Kraftwerken Wert gelegt bzw. dieser massiv gef?rdert. Es fehlt jedoch an der unverzichtbaren Systemanpassung, beginnend bei den fehlenden Speichern und Puffer und geht weiter über die fehlenden Transportm?glichkeiten, also Leitungen. Hinzu kommt, dass der Strom nicht mehr nur im Einbahnverkehr verteilt werden muss, sondern dass die bisherigen Konsumenten immer h?ufiger auch zu Produzenten, also zu sogenannten Prosumern werden und es dadurch auch zu Lastflüssen in die gegengesetzte Richtung kommt, wofür das System und die Schutzeinrichtungen nie ausgelegt wurden.

Zudem wird davon ausgegangen, so zumindest die aktuellen Planungspapiere, dass Deutschland in Zukunft einfach bei Bedarf Strom aus den Nachbarl?ndern importieren wird. Nur wird die Rechnung ohne Wirten gemacht. Denn immer, wenn es in den vergangenen Jahren eng wurde, haben diese L?nder aus Deutschland importiert. Au?erdem werden überall konventionelle Kraftwerke stillgelegt. Und das immer irgendwo der Wind weht, ist eine M?r, die der Realit?t nicht Stand h?lt. Ganz abgesehen davon, dass dafür die Transportinfrastruktur fehlt. Der Wunsch nach einer europ?ischen Kupferplatte ist verst?ndlich, entbehrt aber jeglicher Realit?t und ignoriert physikalische Rahmenbedingen. Dies hat auch kürzlicher der deutsche Bundesrechnungshof im Bericht zur ?Umsetzung der Energiewende im Hinblick auf die Versorgungssicherheit“ festgestellt: ?die erwartbaren Engp?sse im Stromnetz werden bis zum Jahr 2025 nicht beseitigt werden k?nnen“. Des Weiteren wurde festgehalten, dass: ?wesentliche Annahmen, auf denen die derzeitige Bewertung der Versorgungssicherheit am Strommarkt beruht, unrealistisch oder überholt sind.“

Dezentrale funktionale Einheiten

Hinzu kommt, dass sich Millionen von Kleinstkraftwerken und neuen Akteuren nicht mehr mit der bisher erfolgreichen zentralen Struktur und Logik steuern lassen. Es braucht stattdessen ein ?Orchestrieren“ dieser Vielzahl von Komponenten und Akteuren, die sich dann wie ein ?Schwarm“ selbstorganisiert durch eine für alle zug?ngliche Sicht auf die Situation im Gesamtsystem automatisch an der Gew?hrleistung der Versorgungssicherheit beteiligen. Das erfordert jedoch eine Neustrukturierung in sogenannte robuste Energiezellen, da die steigende Komplexit?t nicht anders beherrschbar sein wird. Denn komplexe Systeme lassen sich nicht zentral steuern, sie erfordern vielmehr dezentrale autonome Einheiten, wo Bedarf, Speicherung und Erzeugung m?glichst lokal bzw. regional ausgeglichen werden und nicht wie derzeit, wo Probleme gro?r?umig verschoben werden. Dabei sind auch systemübergreifende Synergien (Strom, W?rme, Mobilit?t) zu nutzen. Es geht also um eine ganzheitliche Energieversorgung in zellularen Strukturen, wozu h?ufig erst ein umfassendes Umdenken erforderlich ist.

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Ein solcher Ansatz steht auch nicht im Widerspruch zum bisherigen Gro?system, das auch weiterhin ben?tigt wird, da gro?e Industrieunternehmen oder St?dte noch l?nger nicht anders versorgt werden k?nnen. Aber man kann mit diesen dezentralen Strukturen und funktionalen Einheiten die Robustheit des Gesamtsystems bottom-up und im laufenden Betrieb, ohne Unterbrechungen, erh?hen. Zellularen Strukturen sind nicht so effizient wie unser bisheriges Gro?system, was aber nur so lange stimmt, bis es zu einer Gro?st?rung in Form eines Blackouts kommt. Denn dann würden mit einem Schlag alle bisherigen Effizienzgewinne vernichtet und unfassbare gesellschaftliche Sch?den verursacht werden. Resilienz und Robustheit stehen im Widerspruch zu unserem rein betriebswirtschaftlich motiviertem Effizienzdenken, wodurch gerne auf die überlebenswichtigen Redundanzen und Reserven verzichtet wird.

Keine hundertprozentige Sicherheit

Hinzu kommt, dass es schlicht und einfach kein ausfallsicheres System gibt, wie das die europ?ischen übertragungsnetzbetreiber bereits 2015 in ihrem Untersuchungsbericht zum Blackout in der Türkei klar und unmissverst?ndlich zum Ausdruck gebracht haben: ”A large electric power system is the most complex existing man-made machine. Although the common expectation of the public in the economically advanced countries is that the electric supply should never be interrupted, there is, unfortunately, no collapse-free power system.”

Steigende Komplexit?t

Daher sollten wir von der Natur lernen, wo alles Lebendige in zellularen Strukturen organisiert ist. Das hat sich offensichtlich bew?hrt und überlebt. Denn das, was zwar als dezentrale Energiewende gefeiert wird, ist derzeit alles andere als dezentral. Die gesamte bisherige Energiewende funktioniert nur aufgrund des vorhandenen zentralisierten Systems mit den erforderlichen Speichern und Puffern. Auch die propagierten ?Smart Grid“- und Flexibilisierungsma?nahmen h?ngen von einer umfassenden zentralisierten IT-Vernetzung und damit von einer steigenden Komplexit?t ab. Damit ergeben sich neben der Gefahr von Cyber-Angriffen weitere kaum beachtete Nebenwirkungen.

Komplexe Systeme

Komplexe Systeme weisen eine Reihe von unangenehmen Eigenschaften auf, die mit unserer bisher erfolgreichen linearen Denkweise und Maschinenlogik nicht beherrschbar sind. So steigen mit der Anzahl der Akteure und Vernetzung die Komplexit?t und somit die Dynamik, was wir ja laufend beobachten k?nnen. Wir kommen kaum mehr hinterher. Gleichzeitig sinkt die Prognostizierbarkeit des Verhaltens des Systems, weil es zu selbstverst?rkenden Rückkopplungsprozessen kommen kann, wie wir diese gerade beim Kohleausstieg sehen: Immer mehr Kraftwerksbetreiber wollen frühzeitig aussteigen, weil sich der Betrieb nicht mehr lohnt. Gleichzeitig haben wir in den vergangenen 10 Jahren die bisher tats?chlich vorhandenen überkapazit?ten weitgehend abgebaut, womit immer weniger Handlungsspielraum bleibt.

Kohle- und Atomausstieg

Anfang Januar 2021 mussten bereits jene deutschen Steinkohlekraftwerke wieder ans Netz gehen, die eigentlich für eine vorzeitige Abschaltung ausgew?hlt wurden, weil der Bedarf nicht mehr ausreichend gedeckt werden konnte. Sollte am derzeit fixierten deutschen Kohle- und Atomausstieg bis Ende 2022 festgehalten werden, entstehen in den kommenden Monaten bereits kritische Zeitfenster, wo Fl?chenabschaltungen zum Schutz des Gesamtsystems nicht mehr ausgeschlossen werden k?nnen. Es ist dabei irrelevant, ob es sich in 99,99 Prozent der Zeit trotzdem ausgehen wird. Das Stromversorgungssystem kennt hier keine Toleranz, die Balance muss zu 100 Prozent der Zeit sichergestellt werden. Ansonsten kommt es zum Systemkollaps.

Fehlendes Grundlagenwissen um Zusammenh?nge

In vielen Bereichen und auch bei Entscheidungstr?gern fehlt es h?ufig an den grundlegendsten Kenntnissen, etwa wie unser Stromversorgungsystem funktioniert. Zudem geht es h?ufig nur um Einzelaspekte und kaum um systemische Zusammenh?nge. Daher ist die Tragweite von Entscheidungen oftmals nicht bewusst, oder sie wird schlicht weg ignoriert. Hinzu kommen nun noch die fehlenden Kenntnisse im Umgang mit komplexen Systemen, da diese nicht Bestandteil einer universellen Grundausbildung sind.

Kennzeichen von komplexen Systemen

Zu den weiteren Kennzeichen von komplexen Systemen z?hlen, kleine Ursachen k?nnen enorme Auswirkungen zur Folge haben, was wir gerade bei der Corona-Pandemie erleben. Ein Virus stellt binnen weniger Wochen die gesamte Welt auf den Kopf. Auswirkungen von Entscheidungen sind h?ufig irreversible. Ein abgeschaltetes und rückgebautes Kraftwerk ist für immer verloren. Eingemottete Kraftwerke k?nnen nur mit hohem Aufwand erhalten und wieder reaktiviert werden.

Nicht-Linearit?t bedeutet, dass viele unserer bisherigen Risikobewertungsmethoden scheitern. Besonders trügerisch sind die zeitlich verz?gerten Auswirkungen, da diese gerne vernachl?ssigt werden. Dazu z?hlt etwa das 50,2-Hertz-Problem, wo viele Altanlagen mit Wechselrichter sich zeitgleich vom Stromnetz trennen und einen Jo-Jo-Effekt versuchen würden. Angeblich soll dieses Problem behoben worden sein. Ob das wirklich so ist, wissen wir nicht. Es wurde auf jeden Fall viel zu lange nicht beachtet.

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Hinzu kommen steigende Resonanzeffekte, wo sich beispielsweise Wechselrichter und zunehmend mehr elektronische Systeme (?Digitalisierung“, E-Mobilit?t etc.) gegenseitig beeinflussen und selbstzerst?rerische Prozesse ausl?sen. So wurde bereits beobachtet, dass es dadurch zu Br?nden bei Lades?ulen oder schwerwiegenden Produktionsausf?llen gekommen ist. Noch schlimmer ist, dass sogar elektronische Bauteile oder Isolierungen von Leitungen rascher altern und es daher in absehbarer Zukunft zu einer steigenden Anzahl von St?rungen im Infrastrukturbereich kommen wird. Fachexperten sind davon überzeugt, dass die heute verbauten Wechselrichter so rasch als m?glich durch eine neue Generation ersetzt werden müssten, um den Schaden zu begrenzen. Doch wer wird das machen, wenn eh noch alles funktioniert?

Auch bei der Momentanreserve oder bei den Kraftwerksstilllegungen merkt man den Effekt nicht sofort. Die Dinge kumulieren und irgendwann kommt ein Ereignis dazu, welches das Fass zum überlaufen bringt und nicht mehr beherrschbar ist: kleine Ursache, gro?e Wirkung. Es gibt auch keine einfachen Ursache-Wirkungsbeziehungen, wo man eine eindeutige Schuld zuweisen k?nnte. Es hat sich einfach über einen l?ngeren Zeitraum aufgebaut.

Der Kollaps von komplexen Systemen ist, wie gut untersucht ist, kein Fehler, sondern ein Systemdesignmerkmal, um eine Erneuerung zu erm?glichen. In der Wirtschaftstheorie wird das als ?Sch?pferische Zerst?rung“ bezeichnet. Neues kann sich h?ufig erst dann entfalten, wenn das alte kaputt oder zerst?rt worden ist. Eine Vorgangsweise, die bei unserer wichtigsten Lebensader, der Stromversorgung, einer Selbstmordabsicht gleichkommen würde.

Alternde Infrastrukturen

Wir stehen aber nicht nur wegen der Energiewende vor gro?en Umbrüchen. Ein Gro?teil der europ?ischen Infrastruktur kommt in den n?chsten Jahren an ihr Lebens- und Nutzungsende. Die Mehrzahl der Kraftwerke ist mittlerweile 40 bis 50 Jahre alt. Teilweise sogar ?lter. Damit müssen in den n?chsten Jahren auf jeden Fall weitreichende Neuerungen eingeleitet werden. Das rechnet sich aber unter den derzeitigen rein betriebswirtschaftlichen Betrachtungen und der unsicheren Rahmenbedingungen nicht. Investitionen werden daher gerne aufgeschoben, was die St?ranf?lligkeit erh?ht. Wenn aber erst dann investiert wird, wenn es sich rechnet, ist es bereits zu sp?t.

Daher tr?gt auch der liberalisierte Strommarkt zum Abbau der Reserven und Redundanzen bei. Das, was in anderen Infrastrukturbereichen akzeptabel sein mag, k?nnte bei der überlebenswichtigen Strominfrastruktur ein b?ses Ende haben. So wie bei der Truthahn-Illusion: Ein Truthahn, der Tag für Tag von seinem Besitzer gefüttert wird, nimmt aufgrund seiner t?glich positiven Erfahrungen (Fütterung und Pflege) an, dass es der Besitzer nur gut mit ihm meinen kann. Ihm fehlt die wesentlichste Information, dass die Fürsorge nur einem Zweck dient: Am Tag vor Thanksgiving, bei dem die Truth?hne traditionell geschlachtet werden, erlebt er eine fatale überraschung. Diese Metapher kommt bei sehr seltenen Ereignissen mit enormen Auswirkungen zum Tragen, sogenannten Extremereignissen (?X-Events“) oder strategischen Schocks. Wir verwechseln dabei gerne die Abwesenheit von Beweisen mit dem Beweis der Abwesenheit.

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Extremwetterereignisse

Alldem nicht genug, müssen wir auch noch erwarten, dass in Europa wie bereits in Australien, Kalifornien oder Texas die Extremwetterereignisse in den kommenden Jahren zunehmen werden. Damit sind auch schwerwiegende Infrastruktursch?den und -ausf?lle zu erwarten. Gerade die Dürre der vergangenen Jahre macht konventionellen Kraftwerken, die das Kühlwasser aus Gew?ssern entnehmen müssen, enorm zu schaffen. Gleichzeitig verringert sich die Leistungsf?higkeit von Wasserkraftwerken durch sinkende Pegelst?nde. Im anderen Extremfall führen Hochw?sser oder Starkregenereignisse zum Problem bei der Stromerzeugung, wie etwa im Juni 2020, wo durch ein Starkregenereignis das gr??te polnische Kohlekraftwerk und parallel dazu weitere Erzeugungsanlagen ausgefallen sind, was zu einer kritischen Versorgungslücke geführt hat.

Auch Energiezellen werden von solchen Ereignissen nicht verschont bleiben. Jedoch kann die Gefahr von raschen und gro?fl?chigen Ausf?llen deutlich reduziert werden. Zellen weisen nicht per se eine h?here Versorgungssicherheit auf. Aber sie helfen, den potenziellen Schaden zu verringern, und das wird aufgrund der dargestellten Probleme immer wichtiger. Zudem schaffen wir durch zunehmend grenzenlose Struktur noch viele schlimmere Abh?ngigkeiten und Verwundbarkeiten.

Fehlende Sollbruchstellen

Durch die heute fehlenden und klar definierte Sollbruchstellen wird ein m?glicher Netzwiederaufbau enorm erschwert. Und gerade das soll in den n?chsten Jahren noch deutlich ausgeweitet werden. So müssen etwa aufgrund einer EU-Vorgabe bis 2025 mindestens 70 Prozent der Kapazit?t der nationalen Grenzkuppelstellen für den grenzüberschreitenden Stromhandel ge?ffnet werden. Das, was im Alltag zu einer Belebung des Marktes und damit zu sinkenden Preisen führen kann, führt auf der anderen Seite zu einer massiven Verwundbarkeit des Gesamtsystems, da damit immer weniger auf die physikalischen Grenzen Rücksicht genommen wird. Eine m?gliche St?rung kann sich wesentlich rascher ausbreiten. Diese Vorgaben widersprechen daher klar einem robusten, zellularen Ansatz und den Erkenntnissen aus den Systemwissenschaften.

Digitalisierung

Hinzu kommt, dass durch die zunehmende Digitalisierung des Stromversorgungssystems die wechselseitigen Abh?ngigkeiten steigen: Ohne Strom, keine IT. Ohne IT-Infrastruktur, keine Stromversorgung. Experten befürchten, dass bereits heute ein m?glicher Netzwiederaufbau daran scheitern k?nnte, weil sogar zunehmend mehr Schutzeinrichtungen ohne Rückfallebenen ausgestattet sind. Vieles kann und will man einfach nicht glauben, aber die Realit?t holt einen immer wieder ein. Ein kollektives Versagen, wie das etwa Gunther Dueck bereits vor vielen Jahren in ?Schwarmdumm“ beschrieben hat.

Gef?hrlicher Stromhandel

Der Stromhandel spielt auch generell eine zu wenig beachtete Rolle, wenn es um die Gef?hrdung des europ?ischen Verbundsystems geht. Im Juni 2019 brachten deutsche Stromh?ndler das System an den Rand des Kollapses, nachdem sie eine Regulierungslücke ausgenützt haben. Trotz Abmahnung und nun in Aussicht gestellter hoher Strafen scheint es noch immer Lücken zu geben. So kam es 2021 bereits im ersten Quartal zu über 80 Frequenzanomalien, die wahrscheinlich urs?chlich auf eine betriebswirtschaftlich optimierte Kraftwerkseinsatzplanung zurückzuführen sind. Im gesamten Jahr 2020 waren es rund 140 Anomalien. Dabei wird regelm??ig um den Stundenwechsel die H?lfte bis zu zwei Drittel der vorgehaltenen Reserve, um auf unvorhergesehene Kraftwerksausf?lle reagieren zu k?nnen, eingesetzt. Sollte es in dieser Zeit tats?chlich zu einem oder mehreren Kraftwerksausf?llen kommen, was beim Fahrplanwechsel durchaus wahrscheinlicher ist, k?nnte das rasch zu einer weiteren Eskalation führen. Obwohl das Problem seit Langem bekannt ist, scheint die Regulation keine Notwendigkeit zu sehen, diesen Missbrauch abzustellen. Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er bricht.

8. Januar 2021

Es gibt auch mehrere Hinweise, dass die beiden Faktoren, die reduzierte Momentanreserve und der überbordende Stromhandel, wesentlich zur Gro?st?rung am 8. Januar 2021 beigetragen haben k?nnten, auch wenn das bisher noch in keinem offiziellen Untersuchungsbericht richtig angesprochen wurde.

Am 8. Januar kam es um 14:04 Uhr im Umspannwerk Ernestinovo (Kroatien) zu einer überlastung einer Sammelschienenkupplung, die sich daraufhin ordnungsgem?? zum Eigenschutz abgeschaltet hat. Dies führte zu einer überlastung von 13 weiteren Betriebsmitteln in Südosteuropa, wodurch das europ?ische Verbundnetz in zwei Teile aufgetrennt wurde. Die Folge war ein durch das auftretende massive Leistungsungleichgewicht verursachter massiver Frequenzanstieg in Südosteuropa auf 50,60 Hertz und ein Frequenzeinbruch auf 49,74 Hertz in Nordwesteuropa. Im Südosten gab es einen Leistungsüberschuss von 6,3 GW, welcher gleichzeitig im Nordwesten fehlte.

Der sehr steile Frequenzeinbruch bzw. -anstieg weist darauf hin, dass zu wenig Momentanreserve vorhanden war, welche eine derart gravierende Leistungs?nderung abfedern h?tte müssen. Zum anderen gab es zu diesem Zeitpunkt einen enormen Stromimport von etwa 6,3 GW in Spanien und Frankreich, was darauf hindeutet, dass der überregionale Stromhandel zur überlastung beigetragen hat. Interessant ist dabei auch, dass die Sammelschienenkupplung im Umspannwerk Ernestinovo bisher nicht als systemrelevant eingestuft und daher nicht in die laufenden Sicherheitsberechnungen eingebunden war. Daher stellt sich die Frage, wie viele solch unbeobachteten Bruchstellen es noch geben k?nnte. Das Ereignis am 8. Januar 2021 sollte daher als sehr ernst zu nehmende Warnung verstanden werden, auch wenn von politischer Seite sofort behauptet wurde, dass die Stromversorgung sicher sei. 36 L?nder sitzen in einem gemeinsamen Boot. Wenn dieses untergeht, gehen alle mit unter.?

Nach einem Blackout

In ?sterreich sind wir wahrscheinlich in der Lage, als eines der ersten L?nder in Europa wieder ein Stromnetz aufzubauen, was immer noch rund einen Tag oder l?nger dauern wird. Bis auf europ?ischer Ebene wieder überall der Strom flie?t, wird laut Experten-Einsch?tzungen zumindest eine Woche vergehen. Das ist nicht alles.

Ganz generell werden die Folgen und Wiederanlaufzeiten nach einem gro?fl?chigen und abrupten Ausfall der Stromversorgung massiv untersch?tzt. Viele Vorbereitungen besch?ftigen sich zudem nur mit der unmittelbaren Vorsorge für den Stromausfall, was h?ufig in der Anschaffung oder Erweiterung einer Notstromversorgung mündet. Dabei ist die Phase 1, also die Zeit des Stromausfalls, noch am überschaubarsten. Viel schwerwiegender und katastrophaler werden sich die deutlich l?ngeren Phasen des Wiederanlaufes (Phase 2 und 3) in den anderen Infrastruktursektoren und bei der Resynchronisierung der Versorgungslogistik auswirken, was in dieser Dimension v?llig untersch?tzt wird, weil uns dazu die Erfahrungen fehlen.

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Die sehr hohe Versorgungssicherheit in allen Lebensbereichen, insbesondere in Mitteleuropa, wird zum Bumerang: Es fehlt an den erforderlichen Eigenvorsorgema?nahmen und Rückfallebenen. Viel zu viele Menschen und Organisationen verlassen sich einfach blind auf die st?ndige Verfügbarkeit. Eine Truthahn-Illusion.

Langwieriger Wiederanlauf

So ist etwa zu erwarten, dass bis nach der Stromversorgung die Telekommunikationsversorgung, also Handy, Internet und Festnetz, wieder funktionieren wird, weitere Tage vergehen werden. Dies, weil mit schwerwiegenden Hardwaresch?den, St?rungen und überlastungen zu rechnen ist. Damit wird es bis zumindest in die zweite Woche dauern, bis wieder eine Produktion und Warenverteilung im breiteren Umfang anlaufen kann. Ganz abgesehen von den internationalen Verflechtungen und wechselseitigen Abh?ngigkeiten in der Versorgungslogistik. Auf das sind jedoch weder die Menschen noch Unternehmen oder die Staaten vorbereitet. Es droht eine unfassbare Katastrophe, die in die gr??te Katastrophe nach dem Zweiten Weltkrieg enden k?nnte, wie bereits 2011 das Büro für Technikfolgenabsch?tzung beim deutschen Bundestag festgehalten hat: ?Sp?testens am Ende der ersten Woche w?re eine Katastrophe zu erwarten, d. h. die gesundheitliche Sch?digung bzw. der Tod sehr vieler Menschen?sowie eine mit lokal bzw. regional verfügbaren Mitteln und personellen Kapazit?ten nicht mehr zu bew?ltigende Problemlage.“ Dabei bezog sich die Analyse noch gar nicht auf einen europaweiten Ausfall. Ganz zu schweigen von der enorm gestiegenen Vernetzung binnen der letzten Dekade.

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Was kann getan werden?

Kurzfristig scheint nur mehr die Vorbereitung auf das Ereignis m?glich zu sein, was auch ganz generell gilt: Verhindern und Sicherheit sind wichtig, aber zu wenig. Es braucht auch hier ein sowohl-als-auch-Denken: Wir müssen auch in der Lage sein, mit unerwarteten Ereignissen umzugehen und diese zu bew?ltigen. Das betrifft alle Ebenen. Beispielsweise ist die Verhinderung von Cyber-Angriffen enorm wichtig, dennoch ist ein Wiederherstellungsplan unverzichtbar, auch wenn man immer hofft, dass dieser nie ben?tigt wird. Aber Hoffnung ist zu wenig. Das gilt genauso beim Thema Blackout. Wir betreiben gerade die gr??te Infrastrukturtransformation aller Zeiten am offenen Herzen und ohne Auffangnetz. Das k?nnte sich als fataler evolution?rer Irrtum herausstellen.

Der wichtigste Schritt beginnt in den eigenen vier W?nden: Sich und die eigene Familie zumindest zwei Wochen v?llig autark mittels eigener Vorratshaltung versorgen zu k?nnen. Das betrifft 2 Liter Wasser pro Person und Tag. Nach dem Stromausfall kann auch wieder gekocht aber nicht eingekauft werden. Daher Lebensmittel wie Nudel, Reis und Konserven für zwei Wochen. Das Gleiche gilt für wichtige Medikamente, Kleinkinder- oder Haustiernahrung. Taschenlampen, ein batteriebetriebenes Radio, Mülls?cke und sonstige wichtige Hilfsmittel, die man dann brauchen k?nnte. Einfach, was man auf einen zweiw?chigen Campingurlaub auch mitnehmen würde.

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Sehr geringe Vorsorge

Wie aus verschiedenen Untersuchungen bekannt ist, k?nnen sich rund ein Drittel der Bev?lkerung maximal vier Tage und ein weiteres Drittel maximal sieben Tage selbst versorgen. Damit beginnt ein Teufelskreis. Denn wenn sich die Menschen nicht mehr ausreichend selbst versorgen k?nnen, kommen sie nicht in Arbeit, um die Systeme wieder hochzufahren. Eine Teufelsspirale beginnt sich zu drehen. Daher ist eine breite Eigenvorsorge in der Bev?lkerung wesentliche Voraussetzung dafür, damit wir ein solches Szenario bew?ltigen k?nnen. Das betrifft insbesondere auch jene Organisationen und Unternehmen, die in einem solchen Fall einen Notbetrieb aufrechterhalten k?nnen müssen, also auch die Energiewirtschaft.

Inselbetriebsf?hige PV-Anlagen

Was viele PV-Besitzer nicht wissen, ist, dass ihre PV-Anlage w?hrend eines Stromausfalls keinen Strom liefert, da die meisten Anlagen netzgeführt sind. Nur inselbetriebsf?hige PV-Anlagen, also erg?nzt mit Netztrennung, hybriden Wechselrichter und Speicher, k?nnen auch bei Netzausfall eine Notversorgung in den eigenen vier W?nden aufrechterhalten. Damit k?nnten die Beleuchtung, Heizung und Kühlger?te (Vorr?te!) weiterbetrieben werden. Das Szenario würde damit deutlich abgemildert. Gesellschaftlich noch wirkungsvoller und effizienter w?re es, so rasch als m?glich regionale Energiezellen aufzubauen, wo zumindest eine Grundnotversorgung mit Wasser, Abwasser, W?rme oder Gesundheitsdienstleistungen auch w?hrend eines Netzausfalles aufrechterhalten werden k?nnte. Dazu fehlt es aber am notwendigen Bewusstsein und den erforderlichen Rahmenbedingungen.

Organisatorische Ma?nahmen

Auf diese pers?nlichen Vorsorgema?nahmen k?nnen dann die notwendigen organisatorischen Ma?nahmen aufsetzen. Dabei beginnt der erste Schritt mit der Sensibilisierung des eigenen Personals, um die Eigenvorsorge anzusto?en. Zum anderen sind umfassende überlegungen notwendig, wie im Fall eines Blackouts die erforderliche Kommunikation sichergestellt werden kann. In vielen F?llen werden nur Offline-Pl?ne, also vorbereitete Absprachen, die in den K?pfen der Mitarbeiter*innen verfügbar sein müssen, funktionieren. Das Schlüsselpersonal muss wissen, was zu tun ist, wenn niemand mehr erreicht werden kann und wie die Abl?se und Versorgung funktionieren, wenn ein Notbetrieb weiterlaufen muss.

Eine Alarmierung, wie sonst üblich, wird in der Regel nicht mehr funktionieren, da die Telekommunikationssysteme Gro?teils binnen weniger Minuten nach dem Stromausfall ausfallen werden. Bei der Mitarbeiter*innenverfügbarkeit sind vor allem die pers?nlichen Umst?nde, wie die r?umliche Entfernung zum Arbeitsplatz oder sonstige Verpflichtungen, wie betreuungsbedürftige Personen, Funktionen in Gemeindekrisenst?ben oder Einsatzorganisationen zu berücksichtigen. Darüber hinaus muss erhoben werden, wie lange die vorhandenen Ressourcen, zum Beispiel der Treibstoff für Notstromeinrichtungen oder Lebensmittel für einen Notbetrieb verfügbar sind, da mit einer Versorgung von au?erhalb kaum zu rechnen ist, wenn nicht entsprechende Vorbereitungen getroffen werden. Das geht dann bis hin zu Wiederanlaufpl?nen, wo zu überlegen ist, welche Voraussetzungen erforderlich sind, um überhaupt wieder in einen geordneten Betrieb übergehen zu k?nnen.

Summary

Das europ?ische Stromversorgungssystem befindet sich in einem fundamentalen Umbruch, wo vor allem gilt: ?Viele K?che verderben den Brei“. Denn es fehlt an einer systemischen Gesamtkoordination und Vorgangsweise. Jedes Mitgliedland macht seine eigene Energiewende in unterschiedliche Richtungen und es ist kaum eine Koordinierte Vorgangsweise erkennbar. Zudem werden fundamentale physikalische und technische Rahmenbedingungen ignoriert und durch Wunschvorstellungen ersetzt, was absehbar ein eine Katastrophe führen muss. Denn das Stromversorgungssystem gehorcht rein physikalischen Gesetzen. Noch haben wir die M?glichkeit, diesen fatalen Pfad zu verlassen.

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Autor

Herbert Saurugg ist internationaler Blackout- und Krisenvorsorgeexperte, Pr?sident der ?sterreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV), Autor zahlreicher Fachpublikationen sowie gefragter Keynote-Speaker und Interviewpartner zum Thema ?ein europaweiter Strom-, Infrastruktur- sowie Versorgungsausfall (?Blackout‘)“. Er besch?ftigt sich seit 10 Jahren mit der steigenden Komplexit?t und Verwundbarkeit lebenswichtiger Infrastrukturen sowie mit den m?glichen L?sungsans?tzen, wie die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern wieder robuster gestaltet werden kann. Unter www.saurugg.net betreibt er dazu einen umfangreichen Fachblog und unterstützt Gemeinden, Unternehmen und Organisationen bei der Blackout-Vorsorge.

Peter Beschnidt

lieber zweimal überlegen und dann entscheiden / think twice before you decide

2 年

Lieber Herr Saurugg, vielen Dank für die sehr lesenswerte Analyse der Lage in der Stromversorgung und Ihre Hinweise auf die Folgen von Blackouts. Das ist ein zentrales Thema für unsere hochtechnisierte Gesellschaft, da diese ?usserst anf?llig sind. Wenn wir es merken ist es zu sp?t.

Peter Herhacker

Coaching, Training für Personen und Gruppen zu pers?nlichen Themen, Lebenschancen und Krisen (Freiberuflich)

2 年

Danke, wenn ich richtig verstehe, so braucht es eine regionale "Down To Earth" Struktur, welche sich gegen Fehler unserer Nachbarn als resilient erweist?

Carsten Siebels

Inhaber bei Stromnetzberater.net

3 年

Solange Deutschland in Zeiten mit viel Wind und Sonne den europ?ischen Strommarkt flutet bis die Leitungen voll sind und bei kalter #Dunkelflaute auf Hilfe aus Europa baut, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Gro?st?rung weiter an. Kohlekraftwerke in Deutschland müssen Brennstoff für einen Betrieb von 90 Tagen bevorraten. Bei deren Abschaltung br?uchte es als Ersatz gro?e saisonale Speicher. Davon ist aber für die #Energiewende aktuell keine Rede.

Robert Spevak

"Wer überholen will, muss die Spur wechseln"

3 年

Werter Herbert, genau auf den Punkt gebracht! Das Wissen ist vorhanden, die Informationen sind in den unterschiedlichsten Bereiche "vertraulich" aufbewahrt und daher nicht allen zug?nglich. Wie k?nnen WIR stark und laut eine konsequente Ma?nahmensetzung einfordern? ??

Ulf S.

Dozent für Kriminalistik und Kriminaltechnik (Privat)

3 年

Zumindest muss im Ernstfall niemand behaupten, er h?tte es nicht gewusst und sei aus diesem Grunde unvorbereitet gewesen. Danke für die ausdauernde Aufkl?rungsarbeit.

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