Der Mittelstand braucht keine digitale Transformation!

Der Mittelstand braucht keine digitale Transformation!

Warum die digitale Transformation nichts mit Technologie zu tun hat und die meisten Mittelst?ndler mehr Mut ben?tigen, das zu nutzen, was sie bereits haben. Ein Appell an den deutschen Mittelstand.

"Ihren Artikel zu lesen war mir eine gro?e Freude! So gut auf den Punkt gebracht, sprechen Sie mir fast schon aus der Seele. Bitte mehr davon!" -- Katja Friedrich, Katja Hesse Kommunikation?
"Meines Erachtens ein absoluter Must- Read Artikel zum Thema "Denken und Fragen, bevor man Digitalisierung sagt." -- Philipp Schneidenbach, Principal Ventum Consulting?
"Guter Artikel!" -- Niels Pflaeging, Advisor, Speaker, Author & Founder Beta Codex??
"Lieber Herr Luna, erfrischend und endlich mal jemand, der es auf den Punkt bringt!" -- Edgar Bernardi, Ph.D., Expert Cyber Resiliencee
"Vielen Dank! Endlich einmal ein Artikel zu diesem Thema der Sinn macht." -- Marcus Mock, Evangelist PHOENIX CONTACT?
"Gro?artiger Artikel über die wirklichen Herausforderungen!" -- Christian Hepp, Leiter Hauptamt Wiesbaden?

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In den letzten Jahren kam es zu einem inflation?ren Gebrauch der Begriffe Digitalisierung, Industrie 4.0, Arbeiten 4.0, Blockchain u.v.a., sodass?man schnell den Eindruck gewinnt, dass der Gebrauch dieser in einem umgekehrt proportionalen Verh?ltnis zum eigentlichen Verst?ndnis steht. Ja, man kann sie nicht mehr h?ren, diese uns?glichen Buzzwords.?

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Trotzdem wird fast jedes Meeting davon dominiert und man h?rt sie auf jeder Veranstaltung, sowie auf Aktion?rsversammlungen, wo sich die Vorst?nde gro?er Konzerne damit brüsten welche Initiativen und Projekte sie in diesem Bereich bereits auf den Weg gebracht haben und wie “digital” ihr Unternehmen bereits ist.

Das Gleiche gilt übrigens für die sogenannten Heilsbringer - die Beratungen. Ist Ihnen auch schon mal aufgefallen, dass fast alle Beratungen sich ebenfalls mit diesen sch?nen Buzzwords schmücken??

Was vorher eine Kreativ-, Werbe-, oder Kommunikationsagentur war, ist neuerdings eine Beratung für digitale Transformation. Und so haben diese Agenturen jetzt eine L?sung für ihre Kunden parat, welche sie vor Jahrzehnten unter einem anderen Namen verkauft haben - nur mit dem frischen Anstrich der digitalen Transformation.?

Die Motivation dahinter ist verst?ndlich - sie wollen auf der Erfolgswelle mitreiten und treiben sprichw?rtlich “die neue Sau durchs Dorf”, statt ihre Kunden wirklich nachhaltig zu beraten. Letzteres geht nur, wenn man erkannt hat, was wirklich hinter dieser Herausforderung steht und womit sich der Mittelstand konfrontiert sieht.?

In diesem Beitrag werde ich deshalb erl?utern warum:

  • der Mittelstand bei der Digitalisierung bzw. Innovation oft hinter seinen M?glichkeiten zurückbleibt und wie er sich von den vermeintlichen Profis(1) über die Anforderungen an ihre Organisation einschüchtern l?sst,
  • sich diese Transformation mit traditionellen Denkmustern und Organisationsformen nicht erfolgreich umsetzen l?sst,?
  • das scheinbar “neue” Thema eine uralte Herausforderung ist, die es schon seit Anbeginn des Industriezeitalters gibt
  • und die Herausforderungen der Digitalisierung nichts mit Technik oder Technologie zu tun hat.

Ich werde mich in diesem Artikel zwar prim?r an den Mittelstand wenden, doch trifft dieser Artikel durchaus auf alle Unternehmensgr??en zu.?

Digitalisierung: Hype oder Herdentrieb??

Die Entwicklung der Digitalisierung drückt in gewisser Weise eine Ohnm?chtigkeit der Unternehmen aus, sich einer sich ver?ndernden und immer komplexer werdenden Welt schnell genug anzupassen. Ihre bestehenden und oft schon tradierten Gesch?ftsmodelle werden von einer Generation mit stark ver?ndertem Kaufverhalten?und Startups grundlegend infrage gestellt.?

Für viele ist der Schuldige scheinbar schnell gefunden: Die immer st?rker aufkommenden und eingesetzten Technologien. Doch steht die Digitalisierung tats?chlich mit technischen Fragen im Zusammenhang, oder geht es hierbei in Wirklichkeit um etwas ganz anderes?

Die Transformation ist nicht eine Frage der Technologie. Kein Mensch braucht die digitale Transformation. Es ist vielmehr eine organisationale Transformation, auf die sich mittelst?ndische Unternehmen vorbereiten müssen.

Insofern ist selbst der in Deutschland gew?hlte und genutzte Begriff der “Digitalisierung” schlecht gew?hlt. Er wirkt fast so wie ein spontaner geistiger Erguss der Namensgeber und führt viele in die Irre. Lee Rainie vom Pew Research Center drückt es sehr pointiert aus:

At the same time, [...] Germans [...] rely too much on one vague word, limit their time horizon and thus their imagination. Germans still think they can slow progress down and even halt it if it gets too dangerous. To Americans there is an inevitability. Name is destiny, as the old saw goes. Perhaps Germans should embrace yet another buzzword: late-mover advantage.

Trotz dieses Hypes wird die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer grundlegenden Transformation für den Mittelstand unausweichlich bleiben. Und diese organisationale Transformation steht nicht erst seit ein paar Jahren vor den Türen der Unternehmen, sondern schon seit Aufbruch vom industriellen Zeitalter ins Zeitalter der Wissensgesellschaft. Was wir heute durchleben, sind Prozesse, die vor mehr als 100 Jahren begonnen haben. Ein altes Thema also.?

Im Kern geht es darum wie bestehende Unternehmen es schaffen unter ver?nderten Bedingung zu innovieren und konkurrenzf?hig zu bleiben. Wer sich bei diesen Ver?nderungsprozessen nur auf Technologien und die dahinterstehenden (digitalen) Gesch?ftsmodelle fokussiert, hat leider das urs?chliche Problem nicht verstanden. Die riesigen Potentiale anderer Innovationsformen (z.B. Organisations- oder Serviceinnovationen) werden somit komplett ausser Acht gelassen. So lindert man im besten Falle nur die Symptome. Oder anders formuliert, das w?re so als würde man behaupten die Herausforderung der Industrialisierung zum Ende des 19. Jahrhunderts h?tte für die Gesellschaft haupts?chlich in der Weiterentwicklung technischer Standards gelegen.

Was sich jedoch grundlegend ge?ndert hat ist die Geschwindigkeit mit der diese Ver?nderungen eintreten. Daraus folgt, dass Unternehmen ihren Umgang mit der Marktdynamik, -komplexit?t und Ambiguit?t entsprechend anpassen müssen.

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4.0 Everything!?

Alle 4.0-Versprechen erliegen leider einem fatalen Denkfehler, n?mlich einem der einen direkten kausalen Zusammenhang zwischen digitaler Vernetzung mit anderen Unternehmen und der eigenen Arbeitsweise herstellt bzw. einen unternehmerischen Erfolg suggeriert, nur weil man digitalisiert. Oder wie es Thorsten Dirks, ehem. CEO von Telefónica Deutschland sagt:

"Wenn Sie einen schei? Prozess digitalisieren, dann haben Sie einen schei? digitalen Prozess."

Der Mittelstand kann so viel automatisieren und vernetzen wie er will, dies wird nicht dazu führen, dass sich die Arbeitsweise in den Unternehmen grundlegend ?ndert.?

Hier wirken ganz andere Kr?fte, die sich über viele Jahre und Jahrzehnte etabliert und gefestigt haben - Kr?fte wie Glaubenss?tze, Werte, Normen, Regeln, Gesetze usw. Diese ver?ndern sich nicht so einfach und schnell wie die Einführung eines neuen Buzzwords wie Industrie 4.0, IoT (Internet of Things) oder Plattform-?konomie. Ein Unternehmen bleibt ein komplexes und lebendiges Gebilde aus Menschen.??

Der Wunsch Prozesse effizienter und schlanker zu gestalten, stammt aus dem Industriezeitalter. Hier ging es prim?r darum, Arbeitsprozesse die überwiegend aus repetitive Aufgaben bestanden, zu optimieren. Sicherlich gibt es heute und morgen nach wie vor Platz, um Prozesse effizienter zu gestalten, aber die Zeiten, sich allein darauf zu fokussieren, sind gr??tenteils vorbei und die entsprechenden Dogmen sind ebenso überholt.?

Unsere Welt ist zu komplex geworden und weist kaum mehr repetitive Bestandteile auf. Heute geht es vielmehr um Dinge wie Kreativit?t, Mut Neues zu probieren und mehr Agilit?t in sich schnell ver?ndernden M?rkten. Mit altertümlichen Denkmustern wird diese Komplexit?t und Ambiguit?t kaum zu meistern sein.

Diese Herausforderung ist mit linearen Denkmodellen nicht zu bew?ltigen. Man muss sich stattdessen an m?gliche L?sungen “herantasten” bzw. ann?hern. Und hier haben sich iterative Herangehensweisen sehr bew?hrt. Welche Werkzeuge (Methodiken) dazu eingesetzt werden, sei es Design Thinking, Circular Design, Lean Startup oder Strategic Foresight, ist letztendlich zweitrangig.?

Was nützt uns all die Technologie mit ihren unendlichen M?glichkeiten, wenn die Geisteshaltung in den Unternehmen die Gleiche bleibt??

Der Mittelstand muss die Komplexit?t und ihre Folgen endlich akzeptieren. Das hei?t er muss auf vereinfachte Weltbilder verzichten und die Unvorhersagbarkeit und Intransparenz sowie Dynamik der M?rkte hinnehmen und lernen damit entsprechend umzugehen. Der Fokus muss wieder auf die eigentliche Wertsch?pfung (“Jobs to be done”) gelegt werden.??

"Wenn wir mit Innovation Erfolg haben wollen, müssen wir Ungewissheit nicht nur ertragen, sondern wir müssen sie gezielt suchen." - Tim Kastelle

Big Data, wenig Durchblick oder wie es der Rapper The Notorious B.I.G ?hnlich konstatiert hat: Mo’ Data, mo’ Problems?

Statt den beschriebenen Umstand zu akzeptieren, klammert sich der Mittelstand an das n?chste Buzzword - “Big Data” - und verspricht sich davon die Erl?sung von der Komplexit?t.?

Das Motto lautet hierbei: “Viel hilft viel!”. Die Sammlung und Anh?ufung von Unmengen an Daten soll dabei helfen, genauere Prognosen und Entscheidungen zu treffen. Auch hier treffen wir erneut auf einen fatalen Denkfehler. Gute Entscheidungen werden mittels relevanter Informationen getroffen, nicht auf der Grundlage von m?glichst vielen.

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Führen wir uns das nochmal vor Augen: Wenn wir sprichw?rtlich die Nadel im Heuhaufen suchen, soll uns mehr Heu (Daten) dabei helfen die besagte Nadel schneller zu finden? Genau das haben schon die NSA und der deutsche BND versucht. Das Ergebnis: Kein einziger Anschlag wurde bisher durch die riesigen Datenmengen vereitelt(2). Und wenn es unsere gut finanzierten Geheimdienste nicht schaffen, wie hoch stehen die Chancen, dass der Mittelstand sich dazu in der Lage sieht??

"Wer sich nicht an die Vergangenheit erinnern kann, ist dazu verdammt, sie zu wiederholen." — George Santayana

Es geht also weniger um die Menge der Daten als vielmehr um die Qualit?t ihres Informationsgehaltes und um die Schlüsse, die man aus ihnen zieht. Und glaubt man den Anbietern von Big-Data-L?sungen, so wird ohnehin nur ein kleiner Prozentsatz der Daten auch tats?chlich analysiert. Trotzdem sind es just jene Anbieter, die in der Regel mit “Big Data” werben und dabei versprechen, mit ihren L?sungen eine v?llig neue Interpretation der Daten herbeiführen zu k?nnen.?

Weltweit werden fast unvorstellbare Datenmengen generiert und gespeichert und es?werden t?glich exponentiell mehr. Trotzdem haben viele Führungskr?fte das Gefühl, nicht genügend Informationen an der Hand zu haben - sie leiden unter Informationsmangel, aufgrund von zu vielen Daten. Aus diesem Grund sammeln Sie immer weiter Daten in der Hoffnung, so zu besseren und belastbaren Entscheidungen zu gelangen. Ein Teufelskreis, der mich an das folgende und treffende Video erinnert:??

Das kann jedoch niemals gelingen, da sich Unternehmen in einem unvorhersehbaren und sich dynamisch ?ndernden Kontext befinden. In einem solchen Umfeld ist es schon per Definition unm?glich, alle Informationen zu erfassen.?

Solange den Unternehmen das nicht bewusst wird, werden sie auch weiterhin ihrer Datensammelleidenschaft nachgehen, was wiederum bis zur Entscheidungslosigkeit führen kann. Der Amerikaner nennt das dann treffend “analysis paralysis”(3).

Die gute Nachricht: auch wenn unser Gehirn nie auf die Verarbeitung gro?er Datenmengen ausgelegt war, hat unser Denkorgan einen evolution?ren Vorteil in die Wiege gelegt bekommen - den der kreativen Sch?pfung und Probleml?sung. Wir sind zudem Experten im Erkennen und Verarbeiten von relevanten Informationen?und Mustern.?

Gelingt es dem Mittelstand, diesen Evolutionsvorteil auf das eigene Unternehmen zu übertragen, nach dem Motto “Weniger ist mehr”, ergeben sich ganz neue M?glichkeiten. Anstatt die Datenmengen ins Unendliche anwachsen zu lassen und KPIs und Berichte zu erstellen, sollten die Grundlagen der Informationsgewinnung und -bewertung grunds?tzlich hinterfragt werden. Welche Informationen werden für welchen Zweck wirklich ben?tigt? Welche Erkenntnisse versprechen wir uns dadurch? Und welche Quellen enthalten die Informationen, die wir suchen??

Wie sich der Mittelstand mit seiner Hierarchie und Organisationsform selbst im Weg steht

Wir erinnern uns? Digitalisierung ist irgendwie zu einem wichtigen Thema geworden. Ein Topthema, welches ein Unternehmen mit ein, zwei Handgriffen ganz einfach in den Griff bekommt - so zumindest wird es suggeriert. Wir brauchen lediglich einen Verantwortlichen samt Abteilung, der sich um die Digitalisierung kümmert (und den man im Worst Case auch für das Scheitern verantwortlich machen kann). Diese Person erh?lt dann noch einen sch?nen Titel, wie z.B. CDO (Chief Digital Officer), ein Team, ein üppiges Budget – und zack haben wir die Digitalisierung im Griff, getreu dem deutschen Verwaltungsspruch:

?Wenn du nicht mehr weiter wei?t, gründe einen Arbeitskreis“.?

Damit versucht der Mittelstand das Problem, resultierend aus einer funktionalen Teilung, mit einer neuen funktionalen Teilung zu l?sen. Das w?re so, als würde man versuchen, einen Brand mit Kerosin zu l?schen. Und genau das tut der Mittelstand?mit seinen heutigen Organisationsstrukturen. Aber alles der Reihe nach. Gehen wir im Einzelnen durch, warum auch das zum Scheitern verurteilt ist.?

Die h?ufigste Organisationsstruktur, die man heute beim Mittelstand immer noch vorfindet ist die funktional-hierarchische Pyramide (einfach zu merken: “Oben wird gedacht, unten wird gemacht.”).

Genau das ist auch die Organisationsstruktur wie sie einst der Effizienzpapst Frederick W. Taylor in seinem Managementkonzept postuliert hat. Doch wenn der Mittelstand bei seiner tayloristischen Pyramidenstruktur bleibt, werden alle Versuche, der Herausforderung Herr zu werden, an der Organisation schlichtweg abprallen.?

überkomplexe Strukturen verhindern, dass Unternehmen schnell genug auf Ver?nderungen reagieren k?nnen

Damit die Führung Entscheidungen treffen kann, ben?tigt diese u.a. Informationen über Markt, Kunden, Lieferanten, Wettbewerb u.v.m. Diese Informationen kommen meist von der direkt wertsch?pfenden Ebene ganz “unten” und müssen entsprechend nach oben transportiert werden. Hierbei werden die Informationen auf dem Weg nach “oben” so lange bereinigt, besch?nigt, erg?nzt oder anderweitig ver?ndert, bis sie ihren eigentlichen Informationsgehalt verlieren. Diesen Effekt kennen wir dann als “Stille Post”-Effekt. Bis diese wenig hilfreichen Informationen über einen Markt dann in der Chefetage angekommen sind, hat sich der Markt selbst sprichw?rtlich schon wieder 5 mal gedreht.

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Ein weiteres Problem: Entscheidungen werden nicht nach dem Subsidiarit?tsprinzip getroffen, also dort wo die Wertsch?pfungs- und Marktkompetenz vorhanden ist. Das Subsidiarit?tsprinzip besagt, dass eine Aufgabe oder Entscheidung m?glichst von der kleinsten ?zust?ndigen“ Einheit übernommen bzw. getroffen werden soll. Und das sind i.d.R. einzelne Mitarbeiter, die den direkten Zugang zu den jeweiligen Informationen haben.?

Starre Strukturen f?rdern?Silodenken und -handeln

“Compensation drives behaviour!” Diese Selbstverst?ndnis findet sich in jedem Unternehmen wieder. Die Entlohnung ist dabei fast immer an konkrete Jahresziele geknüpft, die wiederum regelm??ig in Personalgespr?chen überprüft werden. Ziele gibt es nicht nur für jeden einzelnen Mitarbeiter, sondern auch für jede Abteilung. Eine Incentivierung f?rdert schlie?lich die Zielerreichung der Mitarbeiter innerhalb ihres Einflussbereiches. So zumindest die Theorie.?

Heute ist jedoch, st?rker denn je, interdisziplin?res Arbeiten gefordert und unumg?nglich. Interdisziplin?res Arbeiten auf der einen Seite jedoch zu fordern, auf der anderen Seite hingegen die starre funktional-hierarchische Unternehmensform beizubehalten, ist aus Mitarbeitersicht h?chst widersprüchlich. Es ist so, als befehle der Chef: “Denke quer, aber halte dich bitte an unsere etablierten Grunds?tze!”

"So sind fast alle Innovationserfolge des letzten Jahrzehnts: Man hat eine geglaubte Regel gew?hlt und sie dann einfach rausgeworfen." - Seth Godin

Macht und Struktur widersprechen der cross-funktionalen Vernetzung und Zusammenarbeit

Macht und Kontrolle sind selbst in der formal-hierarchischen Organisation eine Wunschvorstellung, da es in Unternehmen immer eine gewisse Vernetzung gibt. Das Problem an einem funktional-hierarchischen Unternehmen zeigt sich jedoch im Fall von Unklarheiten oder Konflikten. Mitarbeiter w?hlen dann meist den formalen Weg über Vorgesetzte, statt in den Diskurs zu gehen und diese Konflikte gemeinsam zu l?sen.?Und das, obwohl die oft noch vorherrschenden Führungsstile durch Legitimation, Bestrafung oder Belohnung sich nachweislich als weniger erfolgreich erwiesen haben, als eine vertrauensbasierte Führung.?

Macht und Kontrolle erfüllen jedoch noch eine andere Funktion - der eigene Status quo soll damit erhalten bleiben. Noch immer ist der Idealtypus einer vorbildlichen Führungskraft jemand, der alles unter Kontrolle zu haben scheint und alles wei?. Eine übergreifende Vernetzung setzt jedoch voraus, auf Macht und Kontrolle zu verzichten. Führungskr?fte müssen bereit sein, auf diesen Einfluss zu verzichten. Aber genau das f?llt vielen Führungskr?ften und Gesch?ftsführern noch sehr schwer.

Die digitale Transformation wandelt keinen Mittelst?ndler in eine Netzwerkorganisation um. Eine übergreifende Vernetzung ist eine Frage der Geisteshaltung und nicht mit einer technischen Schnittstelle spezifizierbar.

Zusammenfassung und Empfehlungen

Der Mittelstand befindet sich inmitten einer Transformation. Eine Transformation, die mit der Digitalisierung nichts zu tun hat. Stattdessen ist es eine organisationale Transformation, die in einer Welt mit zunehmender Komplexit?t und Dynamik unumg?nglich ist. Das Problem hei?t also nicht Digitalisierung, sondern Ver?nderungsf?higkeit und Erhalt der Wettbewerbs- und Innovationsf?higkeit unter ver?nderten Bedingungen.

Alle Technologien und sich daraus ergebende M?glichkeiten bringen nur wenig, wenn das Mindset und die alten Denkmuster beim Alten bleiben. Denn diese produzieren eben nur die gleichen Ergebnisse wie bisher. Es scheint fast so, als habe sich ein pawlowscher Reflex bei den Unternehmen eingestellt, der immer wieder das gleiche Verhaltensmuster auf gro?e Herausforderungen hervorbringt. Dieser Reaktionismus ist Ausdruck einer gewissen Hilflosigkeit. Albert Einstein hat es so auf den Punkt gebracht:?

"Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten."

Dabei braucht der Mittelstand keine Technologie-Nachhilfe, sondern muss stattdessen die Bewahrermentalit?t des Status Quo aus dem Weg schaffen. Dazu ist es zwingend notwendig, die eigene Sicht auf das Unternehmen, die M?rkte, die Mitarbeiter und die gesamte Wertsch?pfungskette grundlegend zu hinterfragen. Dazu müssen die richtigen Methoden und Werkzeuge zum Bew?ltigen der Komplexit?t ausgew?hlt werden.

?Die meisten Unternehmen besitzen viel mehr Werkzeuge, um Ideen zu verhindern, als sie zu f?rdern.“ - Tom Fishburne

Der Mittelstand darf nicht wieder in den alten Taylorismus verfallen und die Herausforderung durch eine einzelne Abteilung, sprich ein neues Silo, versuchen zu l?sen. Die tayloristische Organisationsform ist eben nicht dazu geeignet, den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen - selbst wenn man sie mit einem weiteren sch?nen?4.0-Buzzword verknüpft oder untermauert. Eine Fortführung dieser Organisationsform mittels einer neuen Abteilung und Zust?ndigkeit (CDO) ist keine zielführende Strategie. Trotzdem machen die mittelst?ndische Unternehmen weiter wie bisher und der CDO kümmert sich ums Digitale - Business as usual.?

Es bleibt au?er Frage, der Mittelstand hat den Willen sich zu ver?ndern. Doch seine starren Strukturen machen es schwer, diesen Willen in der gesamten Kernorganisation umzusetzen.?

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Wir dürfen aber Eines nicht vergessen: Deutsche Mittelst?ndler sind weltweit führend im Bereich der inkrementellen Innovation. In kaum einem anderen Land gibt es so viele geheime Weltmarktführer (Hidden Champions) wie in good old Germany. Diese Innovationen haben nicht selten die Welt ver?ndert und waren bzw. sind mitunter innovativer als das, was viele Softwarefirmen oder Startups hervorbringen, auch wenn Startups bzgl. Innovationsgeschwindigkeit deutlich die Nase vorn haben.

Doch die Gesch?ftsführer und Vorst?nde der deutschen Mittelst?ndler sind leider manchmal auch sture, konservative Unternehmertypen mit einem zu starken Fokus auf inkrementellen?Innovationen und deutschem Over-Engineering.?Andererseits kann man sie gut verstehen. Hand aufs Herz: Wenn zunehmend das gesamte Gesch?ftsmodell eines Mittelst?ndlers infrage gestellt wird, kann man es einem familiengeführten, schw?bischen Unternehmen verübeln, wenn es sein Lebenswerk aufgeben soll, das vielleicht schon über 100 Jahre lang gut lief, um sich dann pl?tzlich komplett neu zu erfinden?

Natürlich ist es immer leichter, etwas inkrementell bzw. evolution?r?zu ver?ndern und zu transformieren, als etwas komplett Neues zu schaffen. Die Einstellung von Mitarbeitern, der Führungsmannschaft und die der Kunden werden sich auch nicht über Nacht ver?ndern. Aber der deutsche Mittelstand muss wieder den Mut finden, wirklich Neues anzupacken, wenn er morgen noch mit gestalten m?chte, anstatt sich vom digitalen Transformationsgeschwafel einlullen zu lassen. Befreit deshalb die Mitarbeiter von diesen uns?glichen, formalen Führungs- und Organisationsformen, von Businesspl?nen, strategischen Leitbildern und sonstigem Firlefanz.

"Asking for a business plan on a new idea is like asking for baby names on a first date." - Graham Horton

Lieber Mittelstand, habt mehr Mut und nutzt euren Gründergeist, der euch in die Wiege gelegt wurde!

Ihr dürft zurecht stolz auf eure bisherigen Leistungen und Geschichte sein. Viele von euch haben sich seit über 100 Jahren am Markt bew?hrt und einige von euch, dürfen sogar auf eine mehr als 250-j?hrige Unternehmensgeschichte zurückblicken und haben somit viele Krisen und Kriege erfolgreich gemeistert.?

Ihr habt die deutsche Wirtschaft in den vergangenen Jahrhunderten nicht nur ma?geblich gepr?gt, sondern auch dafür gesorgt, dass Deutschland weltweit als ein Aush?ngeschild für Innovationskraft und Qualit?t wahrgenommen wird. Ihr seid dabei gleichzeitig das Rückgrat der Wirtschaft und der Fels in der Brandung wenn es der deutschen Wirtschaft schlecht geht (was ihr wieder einmal eindrucksvoll bei der Finanz- und Eurokrise unter Beweis gestellt habt(4)). Ihr seid Deutschlands gr??te Arbeitgeber, seid regional verankert und übernehmt gesellschaftliche Verantwortung.?

Ihr habt auch künftig das Potenzial, in der 1. Liga mitzuspielen und müsst euch nicht vor den gro?en DAX-Konzernen oder den Startups verstecken. Auch aus diesem Grund arbeiten wir bei GAMMA Digital & Beyond am liebsten mit euch zusammen. Wir finden euch klasse! Lasst euch also nicht von M?chtegernprofis einschüchtern und besinnt euch wieder auf eure Gründer-DNA zurück.

Beenden m?chte ich diesen Artikel gerne mit einem abschlie?enden Appell an den Mittelstand in Form einer Abwandlung eines Kant-Zitats(5):

"Habe Mut, dich deines eigenen Gründergeistes zu bedienen!"

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(1) Hier sind in erster Linie Beratungen und Agenturen gemeint.

(2) The Intercept: U.S. Mass surveillance has no record of thwarting large terror attacks, regardless of Snowden leaks, The Intercept (2015) // NSA program stopped no terror attacks, says White House panel member, NBC News (2013)

(3) Der Begriff stammt von F.E. Kast and J.E. Rosenzweig, Organization and Management: A Systems Approach (1970)?

(4) Zwischen 2006-2014 erh?hten die 500 gr??ten Familienunternehmen die Zahl ihrer Mitarbeiter in Deutschland um 19%, wohingegen in der gleichen Zeit legten die DAX-Unternehmen (nicht-familienkontrolliert) lediglich um 2% zulegten.?Quelle: Studie ?Die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen

(5) Das von Immanuel Kants stammende Zitat wurde 1784 zum Leitspruch der Aufkl?rung erkl?rt: ?Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“

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Wenn Ihnen dieser Artikel gefallen hat, dann k?nnte Ihnen unser Podcast "Innovational Correctness" gut gefallen.

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Weitere LinkedIn Artikel von mir:

Why Uber Is Not Disruptive and What Almost Everyone Around You Gets Wrong About It

Why Companies Need to Eat Their Children - A Comprehensive Guide to Disruption

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über den Autor: David C. Luna

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Als Autor, Keynote Speaker und Berater hat er schon alle Facetten der Innovations- und Transformationsklaviatur aktiv mit gestaltet - von?der Strategieentwicklung für b?rsennotierte Unternehmen bis zur Umsetzung und Etablierung von Produkten und Services am Markt. In allen Gr??enordnungen fühlt er sich zu Hause.

Er dreht immer dann zur H?chstform auf, wenn die Fragestellungen beim Kunden besonders knifflig sind. Innovation bedeutet für ihn schlie?lich gerade die Dinge zu hinterfragen, die Tabu sind. Und als Unternehmer ist er sich für nichts zu schade.?

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GAMMA Digital & Beyond hilft Unternehmen (vorwiegend dem Mittelstand), Innovationen schnell und nachhaltig zu nutzen, um ihren Wettbewerbsvorteil weiter auszubauen. Wir beschleunigen nicht nur Ihre Innovationszyklen, sondern kümmern uns auch um den Bau Ihrer Prototypen und bringen Sie mit Ihnen an den Markt. Wenn Sie neue Innovationsbereiche im Unternehmen etablieren wollen, dann helfen wir Ihnen dabei ebenso wie beim Ver?ndern Ihrer Kernorganisation. Wir bringen hunderte von Mitarbeitern in Bewegung, bef?higen diese und machen sie fit für die Zukunft.

Unser Ziel ist stets, unsere Kunden zu bef?higen, diese Herausforderungen selbst zu meistern. Und das auf den schnellsten und wirksamsten Weg statt einer endlosen Abrechnung von Beratertagen. Für uns z?hlt das Ergebnis und eine Partnerschaft auf Augenh?he.

Folgt GAMMA Digital & Beyond auf

Markus Niederost

Product manager in the meteorology sector [availability: see 'about']

2 年

Bravo David C. Luna , ins Schwarze getroffen! Dein Artikel gef?llt mir ausgezeichnet. ?? Viele Werkzeuge und Methoden sind bereits seit Jahrzehnten vorhanden und erprobt. Es würde wohl nicht einmal an Bekanntheit mangeln, wenn das Interesse daran vorhanden w?re. Aber mit mehr Interesse würde man ja die Schwachstellen beleuchten, sodass sie jeder erkennen kann. Und als Folge daraus müsste man handeln. W?re vielleicht gar durch die eigene Belegschaft dazu 'getrieben'. Also lieber aussitzen. Sich allenfalls von l?stigen 'St?rern' trennen. "Wir haben das schon immer so gemacht! Es hat sich bew?hrt" Huch, ich muss gerade an Prof.Peter Kruse's Reden denken! ?? Und an Wolfgang Mewes, sein EKS und an eine ehemalige Arbeitgeberin, wo die Auftragspapiere zugleich Rüstpapiere und Laufzettel waren: Durch den ganzen Fertigungaprozess hindurch dasselbe Papier. Kein Medienbruch... Selbstorganisierende Teams, viel Freiheit, Gestaltungsspielraum, jedoch auch Verantwortung. Wir durften über uns hinauswachsen, H?henflüge starten und es war inspirierend, motivierend, befriedigend,... einfach 'geil'! Habe ich seither in dieser Form nie wieder angetroffen .... Es fehlt mir! ?? damals = 1990

Barbara Blenski

Ich liebe: Organisationen zu bef?higen, Innovationen hervorzubringen. | systemische Innovationsberatung & Organisationsentwicklung | Innovationskultur

5 年

Ich kann nur DANKE sagen, Sie sprechen mir aus dem Herzen!

Jarek Górecki

IT Director | CIO | Business & IT Transformation Experience

5 年

Top Artikel! Stimme 100% zu. Ich habe leider aufgegeben diese Denkweise an KMU’s in DACH Region zu übermitteln. Die meisten kapieren oder wollen es nicht kapieren. ?Self-preservation“ ist wichtiger als das Unternehmen.

Matthias Gr?dler

Managing Partner at graedler & schiffers

5 年

sch?ner und treffender Artikel. Wer genau liest, erkennt, dass er sich nicht gegen die Digitalisierung wendet. Es geht um den Mut zur Transformation und darum veraltete Strukturen aufzul?sen, um agiler zu arbeiten. Zitat: "Wenn Sie einen schei? Prozess digitalisieren, dann haben Sie einen schei? digitalen Prozess." Ganz so einfach ist es jedoch nicht. Wird ein Unternehmen digitalisiert, hat das immer Auswirkungen auf die Struktur, Kultur und die Prozesse.

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Dolores Reisenauer

Naturliebhaberin - Freigeist - Optimistin

5 年

Die unternehmerische und kulturelle Transformation des Mittelstands w?re eine Kunst, die digitale Transformation ein Handwerk.?

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